globalisierungkritik weltweit
: Serie zum Weltsozialforum in Porto Alegre, Teil 2

Mexikos Globaliphobiker

Präsident Ernesto Zedillo (1994– 2000) galt als eher farb- und einfallsloser Staatschef. Nur semantisch hatte er einige Fantasie bewiesen: Ihm verdankt das lateinamerikanische Politrepertoire den Begriff der „globalifóbicos“, der Globaliphobiker, den Zedillo bei seiner letzten Davos-Visite prägte. Binnen kürzester Zeit verbreitete sich das griffige Feindbild im politischen und medialen Establishment und wird bis heute gegen jeden Kritiker ungezügelter Weltmarktöffnung in Stellung gebracht.

Und derer gibt es viele. Kein Land hat so viele Freihandelsverträge unterzeichnet wie Mexiko, über 10 mit über 30 Ländern und Regionen, allen voran das seit 1994 geltende Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) mit den USA und Kanada. Genützt hat er dem kleinen Bruder bislang wenig: Zwar hat sich das trilaterale Handelsvolumen seither fast verdreifacht, profitiert aber haben im Niedriglohnland Mexiko vor allem ein paar hundert hoch konzentrierte Exportunternehmen, die meisten in ausländischer Hand. Die versprochenen Lohnsteigerungen blieben aus. Auch dass seit diesem Jahr die Zölle für Agrarprodukte gen USA gestrichen sind, wird wenig nützen: Das Produktivitätsgefälle mit der hoch subventionierten Konkurrenz im Norden können die Millionen mexikanischer Maisbauern nie und nimmer aufholen.

Daher fordern globalisierungskritische Bürgerbewegungen wie das „Aktionsnetzwerk Freihandel“ (RMALC), ein breiter Zusammenschluss von unabhängigen Gewerkschaftern, NGOs, Forschungszentren, Frauen- und Indiobewegungen, ein Mitspracherecht zivilgesellschaftlicher Gruppen. Dabei, so betont der RMALC-Experte Alejandro Villamar, gehe es nicht um Verhinderung von Handel, sondern darum, entsprechende Verträge als „Instrumente“ zum Schutz von Umwelt, Bürger- und Menschenrechten zu nutzen.

Pionierin der lateinamerikanischen Globalisierungskritik ist zweifellos die Zapatistenguerilla (EZLN) aus dem südmexikanischen Chiapas. Mit gutem Sinn füs Timing erhob diese sich just zum Tag des Nafta-Starts – und drängte damit den offiziellen Jubel für Monate aus den Schlagzeilen. Und schon 1996, lange vor Seattle und Porto Alegre, hatten die Zapatistas zu einem „Intergalaktischen Treffen gegen den Neoliberalismus“ in den Lacandonendschungel geladen, zu dem über 4.000 Menschen aus über 45 Länder kamen. Auch heute haben sie sich trotz langer Funkstille von der politischen Weltbühne noch nicht verabschiedet. Die aufständischen Truppen feierten am 1. Januar, dem neunten Jahrestags ihres Aufstandes, ihr Comeback. Über drei Stunden war San Cristóbal de las Casas belagert von fünfzehntausend Indigenen mit Masken und Macheten. Erstmals seit über 20 Monaten ließ sich dabei auch ein Teil der EZLN-Comandancia öffentlich blicken. Und ein Comandante namens Mister verschickte Grußbotschaften an den „politischen Kampf“ im Baskenland, an die Selbstbestimmung der Venezolaner und „das rebellische Volk“ von Argentinien.

ANNE HUFFSCHMID

morgen: Susanne Knaul aus Israel