Ein willkommener PR-Termin

Heute übernimmt Hessens CDU-Bildungsministerin Wolff den Vorsitz der Kultusministerkonferenz. Der Zeitpunkt ist günstig: In 17 Tagen wählt Hessen

von CHRISTIAN FÜLLER

Der Job der hessischen Bildungsministerin ist anstrengend geworden in letzter Zeit. Karin Wolff (42) musste zusammen mit Dresdner-Bank-Chef Bernd Fahrholz das Richtfest der neuen Eliteschule Schloss Hansenberg feiern, sie musste Weihnachtsgedichte hessischer Schüler sichten – und immer öfter nach Berlin. Seit Monaten schon muss die CDU-Politikerin ran, wenn die Konferenz der Kultusminister (KMK) zu repräsentieren ist. Öffentlichkeitswirksam tritt sie ihrer SPD-Kontrahentin im Bund, Bildungsministerin Edelgard Bulmahn, gegenüber – um zu widersprechen. Dass Wolff die eigentliche Präsidentin Dagmar Schipanski so gern vertrat, hatte einen einfachen Grund: Es ist Wahlkampf in Hessen.

Wenn seine Bildungsministerin heute ganz offiziell das Krönchen der KMK-Präsidentin aufgesetzt bekommt, wird das auch für Roland Koch ein glanzvoller Höhepunkt sein. Viele Bürger und Eltern werden denken: Wow, Koch macht in Hessen eine ja tolle Bildungspolitik! Da wird die Wolff sogar an die Spitze aller deutschen Kultusminister gesetzt.

Das Glück der Tüchtigen

Wird Kochs Wahlkampfslogan „Hessen – Bildungsland Nummer 1“ damit öffentlich honoriert? Nein, Karin Wolff, ehemals Lehrerin und seit 1999 Kultusministerin in Hessen, übernimmt nicht wegen besonderer Verdienste, sondern turnusgemäß den Vorsitz der KMK. Dass ihre Amtseinführung heute um 13 Uhr im ansehnlichen Bundesratsgebäude in Berlin und nicht im zugigen KMK-Sekretariat in Bonn stattfindet, ist dem Inszenierungstalent Roland Kochs geschuldet. Dennoch verbietet sich jede Lästerei über den goldenen PR-Termin. Koch und Wolff beanspruchen für sich das Glück der Tüchtigen – mit Recht. Roland Koch war der erste Ministerpräsident eines Bundeslandes, der eine Landtagswahl auch mit dem Thema Bildung gewann. Und der Erfolge auf diesem Feld verbuchen kann.

Es ist nicht allein die Unterrichtsgarantie, die der starke Mann der CDU Schülern und Eltern gab (siehe unten). Koch spielt den Macher nicht nur für Medien und Wähler, er ist es. Die Hessen haben ein neues Schulgesetz, die Hessen haben die Zahl ihrer Lehrer unter 35 Jahren verdreifacht, die Hessen rüsten ihre Schulen für viel Geld mit moderner Computertechnologie aus. Diese Handlungsstärke Wolffs unterscheidet sich wohltuend von ihrem Vorgänger Hartmut Holzapfel (SPD).

Der gilt in der Bildungsszene als brillanter Kopf. Einer, der sich in Erziehungstheorien ergehen kann, die dem Normalbürger wohl immer verschlossen bleiben. Nur den eklatanten Mangel an Unterricht, den jedermann beklagte, den konnte Holzapfel nicht beseitigen.

In diese Lücke stieß Koch. Er spürte die politische Brisanz der Schulunzufriedenheit, lange bevor Pisa das Land in Depression versetzte. Um Erfolg zu haben, brauchte der Rechtsaußen der CDU keine konservative Politik zu treiben. Heute, da sich Koch zum zweiten Mal anschickt, mit dem Thema Schule die Wahl zu gewinnen, ist das anders. Als Macher propagiert Koch nun statt einer Unterrichts- eine Qualitätsgarantie für die Schulen. Und als Ideologe grundiert er diese Wende mit Werten von gestern, die wieder schick sind.

Mit einer Fünf auf dem Zeugnis, sagt Koch stolz, wird man in Hessen nicht mehr versetzt. „Wer bei Pisa das nächste Mal besser sein will“, erzählt er der Wirtschaft, „muss morgens, mittags und abends das Wort ‚Leistung‘ in den Mund nehmen.“ Das zentrale Motiv der Schulpolitik von Koch und Wolff ist die Verwandlung des Gesamtschullandes Hessen in eines, wo die frühe Sortierung der Schüler nach Begabung und Noten wieder etabliert wird. Ihnen liegt daran, der Hauptschule den Hautgout der Lehranstalt für Versager zu nehmen.

Diese konservative Wende plausibel zu machen, fällt dem erfolgsgewohnten Bildungsduo in Hessen zunehmend schwer. In der eigenen Hauptstadt zum Beispiel findet die von Koch und Wolff verschmähte Gesamtschule ungeahnten Zuspruch. Vier besonders moderne Schulen Wiesbadens, allen voran die international renommierte Helene-Lange-Schule, haben so gute Ergebnisse, dass es sogar Wartelisten gibt. Aber alles, was die CDU tut, ist, deren Leistungen herunterzureden – und der Lange-Schule durch die Hintertür ihren Status als Versuchsschule zu entziehen.

Die Weigerung der Ministerin

Auch international läuft es nicht gut. Die OECD beklagt regelmäßig, dass Deutschland zu wenig Studierende habe. Karin Wolff weigert sich aber, diesen Befund zu akzeptieren. Sie fordert stattdessen, dass die Organisation ihre Statistik ändert: Deutsche Lehrlinge, die von der Hauptschule kommen, sollten künftig mit britischen Polytechnics-Studenten gleichgesetzt werden. Das wird nicht gehen – eine Frisörinnenlehre ist definitiv kein Studium. Bei einem ihrer letzten Auftritte hat Wolff angedeutet, wie sie das Problem zu lösen gedenkt. Sie werde „mit aller Härte“ darauf hinwirken, dass die OECD umdenkt. Was „Härte“ ist, mochte sie nicht verraten. Ihr Job wird anstrengend.