Warten auf die Kohle

„Face the Future of Communication“ lautete vollmundig die Parole, als sich Nordrhein-Westfalenzum „Medienstandort Nr. 1“ strukturwandeln wollte. Doch Geld und Ideen sind längst ausgegangen

aus Köln SEBASTIAN SEDLMAYR

Nordrhein-Westfalen und die Medien – was für eine Erfolgsgeschichte: Deutschlands „Medienstandort Nr. 1“, zumindest nach eigenen Berechnungen, die größten TV-Studioanlagen Europas, die meisten Fernsehproduktionen (in Minuten), die größten Kongresse, die englischsten Ankündigungen: „Face the Future of Communication“, hieß das. Oder „Log into Media“.

Dazu passte auch das Konzept der NRW Medien GmbH: Sie betreut die Anwerbung von Medienunternehmen, ist Planungszelle der Medienpolitik. – In der Realität berät die landeseigene Gesellschaft derzeit allerdings in erster Linie Firmen, die sich auf den Gang zum Insolvenzrichter vorbereiten.

Stellenabbau

Ruhig ist es geworden in Nordrhein-Westfalen. Seitdem der Hanseate Peer Steinbrück (SPD) als Nachfolger seines Parteifreunds und „Medienministerpräsidenten“ Wolfgang Clement die Regierungsgeschäfte in Düsseldorf lenkt, ist vom „Medienland NRW“ nicht mehr viel zu hören. Dabei ist 2002 zum ersten Mal seit Anfang der 90er-Jahre die Zahl der Arbeitsplätze in der Branche – bislang Garant des Strukturwandels im einstigen Kohle- und Stahlland – rückläufig; fast 30.000 Jobs weniger hat das Amt für Wirtschaftsförderung errechnet.

Doch bei Steinbrücks Regierungserklärung mussten Analysten schon die Lupe nehmen, um einen klein gedruckten Hinweis auf die Medienpolitik zu finden. Steinbrück „erweiterte“ die Kompetenzen der unter Clement für Medien zuständigen Staatssekretärin Miriam Meckel um die Ressorts Europa und Internationales, hieß es da. Ergebnis: weniger Zeit für Medien.

Um die soll sich ab sofort verstärkt die in der Staatskanzlei beheimatete „Gruppe MTK“, sprich: „Medien und Kommunikation“, kümmern. Meckel, unter Steinbrück auch ihrer Rolle als Regierungssprecherin beraubt, reagierte zunächst mit Fluchtgedanken: Die gelernte Kommunikationswissenschaftlerin will im Kabinett des hessischen SPD-Spitzenkandidaten Gerhard Bökel Ministerin für Kultur, Wissenschaft und Medien werden.

Doch derzeit ist die parteilose Jungprofessorin wegen eines Skiunfalls ans Krankenbett gefesselt. Bei der heutigen Sitzung des NRW-Medienausschusses übernimmt daher der oberste Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei, Minister Wolfram Kuschke (SPD), ihren Platz. Damit ist zumindest konsequent personalisiert, wie der neue mediale Kurs für NRW aussieht: „Die Vorgaben aus der Staatskanzlei sollen wieder stärker werden“, sagt Regierungssprecher Reinhard Boeckh. So hat es der neue Ministerpräsident auch nach einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der Medien GmbH, Helmut G. Bauer, im Dezember angekündigt. Von einer „Rückabwicklung“ der Gesellschaft ist zwar keine Rede mehr. Doch ihr Etat wird zusammengestrichen, und ob Bauer selbst die „Umstrukturierung“ überleben wird, darf bezweifelt werden. Teile der Regierungsfraktionen fragen immer hartnäckiger, ob der ehemalige Unternehmensberater der richtige Mann für den Job sei, Gerüchte über ein angeblich überhöhtes Gehalt machen die Runde. Nach Auskunft ihrer Sprecherin Elisabeth Neumann hat die Medien GmbH allerdings noch „gar keine Hinweise“, welche Einsparungen geplant sind und wie sich die Umstrukturierung auf deren Arbeit und Gestaltungsmöglichkeiten auswirken wird. Die rund 30 Angestellten der Landesgesellschaft quittierten vor Weihnachten die Unklarheiten auf ihre Weise – und gründeten einen Betriebsrat.

Doch allein mit einer neu strukturierten NRW Medien GmbH sind die Probleme im Land nicht zu lösen. Spätestens seit die Kassen leer sind, tritt der Ideenmangel offen zu Tage. Wie trostlos die Lage ist, zeigt auch ein Blick auf die heutige Tagesordnung im Medienausschuss: Neben der NRW Medien GmbH geht es einzig um den Jugendschutz. Dabei stünden weitaus wichtigere Themen zur Debatte. Gerade die für NRW essenzielle Film- und Fernsehbranche fleht um mehr Unterstützung aus der Politik. Denn der Sparkurs der Sender, vom großen Marktführer RTL bis zum kleinen Musikfernsehen Viva, bedroht zahlreiche Produzenten.

Trübe Aussichten

Doch ein Blick ins neue Jahr lässt wenig hoffen. Dass die angeschlagene NRW Medien GmbH erneut das Medienforum NRW organisieren soll, bislang aber keinerlei grundsätzliche Neuerungen für das im vergangenen Jahr trostlos verlaufene „Spektakel“ vorsieht, kann kaum als gutes Omen gedeutet werden. Dabei mäkeln Kritiker seit Jahren am „größten Medienfachkongress Europas“ (Eigenwerbung), der zum unübersichtlichen Konglomerat ohne konkreten Nutzwert geworden sei.

Daneben soll sich NRW Ende März – wieder mal auf einer Yacht – beim Schaulaufen der TV-Branche auf der Fernsehmesse MipTV in Cannes präsentieren. Vor einigen Jahren fand dieses Standort-Schmoozing noch an Land statt. Beim NRW-Empfang kam einst ein leichter Sturm auf – das Mittelmeer schwappte ins Restaurant, und die für den kulturellen Hintergrund angeheuerte Band improvisierte den Titelsong aus dem gerade aktuellen „Titanic“-Epos. Ein passendes Bild, damals wie heute.