interkulturelles lernen
: Bücher für alle

Die Bibliothek im Frankfurter Stadtteil Gallus will multikulturelles Lern- und Informationszentrum sein. Sie wird dabei von der Bertelsmann Stiftung unterstützt. Menschen aus 180 Nationen leben im Frankfurter Gallusviertel, mehr als die Hälfte der 35.000 Einwohner sind Migranten. „Da reicht es nicht, Bücher in verschiedenen Sprachen ins Regal zu stellen“, sagt Birgit Lotz, Leiterin der Stadtteilbibliotheken in Frankfurt am Main. „Bibliotheken sind Orte, wo man sich orientiert, und in einer multikulturellen Nachbarschaft spielen sie eine besondere Rolle.“ Mit Hilfe eines Stipendiums der Bertelsmann Stiftung baute Lotz deshalb in den vergangenen Monaten die Stadtteilbibliothek im Gallus zur „Internationalen Bibliothek“ um. Die Bertelsmann-Stiftung stellte 5.000 Euro für die praktische Projektphase zur Verfügung.

Das Vorbild ist die Queens Borough Library. In New York beobachtete Lotz, wie die Neuankömmlinge mit spanischsprachigen Vorträgen zum Hauskauf oder mit chinesischem Tanz angelockt werden und ihnen bei dieser Gelegenheit das Angebot an Sprachkursen und Lernmaterial vorgestellt wird. Auch das Frankfurter Projekt zielt mit dem Schwerpunkt „Deutsch lernen, Deutsch lehren“ auf Erwachsene ab, da Kinder über Schule und Freunde meist leichter Zugang zu Sprache und Alltag finden.

Die Stadtteilbibliothek hat eine Ecke für das Selbststudium reserviert, weil die Wohnungen im Gallus eng und die Familien meist groß sind. Lehrbücher, Kassetten, CD-ROMs, Kassettenrekorder, Wörter- und Grammatikbücher wurden angeschafft und die MitarbeiterInnen in interkultureller Kommunikation und Konfliktvermittlung geschult. Das Amt für Multikulturelle Angelegenheiten bietet bereits seit Herbst 2001 Sprach- und Orientierungskurse an – als Pilotprojekt der Stadt Frankfurt. In den Kursen erfahren die Teilnehmer etwa, welche Schulen ihren Kinder offen stehen, wie sie mit der U-Bahn durch die Stadt kommen und was eine Bibliothek zu bieten hat; denn viele MigrantInnen kennen solche Einrichtungen nicht aus ihren Heimat. Einige dieser Lektionen werden mittlerweile in der Stadtteilbibliothek abgehalten, ebenso wie zahlreiche Sprachkurse der VHS. Dank dieser Partner, die die Einstellung eigener Sprachlehrer und Pädagogen ersparten, „konnten wir so in kurzer Zeit und mit wenig Geld schon ein gutes Konzept auf die Beine stellen“, sagt Lotz über den ersten Schritt auf dem Weg zur Internationalen Bibliothek. Und das Modellprojekt zeitigt Wirkung: Zwei Wochen nach dem Start im April waren die Regale fast leer, und im zweiten Quartal 2002 kamen 7.740 Besucher; im Vorjahr waren es noch 4.500.

Die Bertelsmann Stiftung hat sich plangemäß im September letzten Jahres aus dem Projekt zurückgezogen. Lehrmittel und Personal finanziert die Stadtteilbliothek nun mit den üblichen Zweigstellenmitteln für Bibliotheken der Kommune. EVA KELLER

Kontakt: Birgit Lotz, Leiterin der Dezentralen Bibliotheken Frankfurt am Main, Tel. (0 69) 2 12-3 83 54, birgit.lotz@stadt-frankfurt.de; Ute Welscher, Bertelsmann Stifung, Projektleiterin Bibliotheken, Tel. (0 52 41) 8 18 13 95