Was sollen „ProfessorInnen“ …

… wenn auf den wichtigen Stühlen doch immer noch nur Männer sitzen? Ein Kongress in Berlin zog Bilanz nach über 20 Jahren Binnen-I

aus Berlin ULRIKE WINKELMANN

Eine gute Nachricht aus der Werkstatt der feministischen Sprachreform vorneweg: In Behörden hat es sich nahezu durchgesetzt, dass Frauen mitgenannt werden. Es gibt seit einem Jahr ein Bundesgesetz, wonach die Sprache der Bundesverwaltung geschlechtergerecht werden soll. Also, Bürgerinnen und Bürger: Seid getrost, der Staat meint euch alle, Männer wie Frauen, und möchte mit euch auch so reden!

So war es sicherlich kein Zufall, dass gestern auf der Tagung von Journalistinnenbund und Friedrich-Ebert-Stiftung zum Thema „gendersensible Sprache“ eine Vertreterin nach der anderen sich zu Worte meldete, die für ein Ministerium oder für den Deutschen Bundestag arbeitete. Unter dem Titel „Sprachmächtig – 20 Jahre nach dem Binnen-I“ bilanzierten rund siebzig Frauen und etwa drei Männer, ob und wie weit sich die Forderung, dass Frauen im Deutschen ihren Raum bekommen sollten, verwirklicht hat. Wobei das Binnen-I nur der Haken war, an dem die Frage, was gesagt, was gemeint und was verstanden wird, aufgehängt wurde.

Was aber ist außerhalb der so genannten Amtsstuben passiert? Wie hat sich die Sprachgemeinschaft entschieden? Für die Paarbildung: Autofahrer und Autofahrerinnen? Für die Neutralisierung: Autofahrende? Oder hat sich das Binnen-I, das doch immer so wenig neutral, sondern vielmehr weiblich klingt, irgendwo wirklich breit gemacht: AutofahrerInnen? Um jetzt mal zur für den Feminismus eher schlechten Nachricht zu kommen: In Sprache wie Schrift ist das generische Maskulinum, also der männliche Begriff, von dem Frauen oft, aber nicht immer mitgemeint werden, immer noch beliebt. Er ist kürzer, einfacher, viele meinen: schöner. Von denen, die je darüber nachdachten, haben sich die meisten dafür entschieden, Atemluft und Zeilenraum zu sparen.

Dafür gab es gestern wenig Verständnis. Schließlich, meinte die Frankfurter Linguistin Marlis Hellinger, die 1980 die ersten „Richtlinien für nichtsexistischen Sprachgebrauch“ mitverfasst hat, haben wir doch eine so hübsche Form dafür! Das „-in“ oder eben auch das -In ist „hochproduktiv und konkurrenzlos“, rühmte Hellinger. Wie schwer habe es dagegen das Englische, das sich mit der scheinbar neutralen Form doch immer nur wieder das Problem einhandelt, dass die meisten unter politician oder professor einen Mann verstehen. Oder das arme Französische, das sich zwischen -esse, -ice und -euse kaum entscheiden kann.

Andererseits: Warum von ProfessorInnen reden, wo nur Männer auf den wichtigen Stühlen sitzen? Schließlich soll die feministische Sprache nicht nur Frauen sichtbar machen, sondern auch Machtverhältnisse kritisieren – und das wäre ja noch schöner, wenn plötzlich von Frauen die Rede wäre, wo es noch gar keine gibt. Nun, darüber, ob es durch die Verwendung weiblicher Formen zur Überschätzung des weiblichen Anteils an einer Gruppe kommt, „wissen wir wenig“, räumte die Mannheimer Sozialpsychologin Dagmar Stahlberg ein. Da wäre also noch zu forschen.

Für ausgemacht galt gestern dagegen: Der Sprachfrieden ist gestört. Sollte es denn irgendwann einmal so gewesen sein – nach zwanzig Jahren feministischer Sprachkritik fühlen sich viele Frauen nicht mehr mitgemeint, wenn von Autofahrern die Rede ist. Was dieses Beipiel angeht, so haben sie damit auch Recht. Wie Stahlberg nachwies, „versteht die Sprachgemeinschaft unter dem Autofahrer (aggressiv etc.) etwas ganz anderes als unter der Autofahrerin (vorsichtig usw.)“. Könnte also sein, dass sich die Auflösung des generischen Maskulinums für alle Beteiligten ab und zu lohnt.

Und übrigens: Wie ernst es der Staat meint, sieht man am immer noch umstrittenen Ausländergesetz. In der zur Zeit vorliegenden Fassung kommt die Ausländerin nicht vor.