Es war Massenmord

Julija Bogoeva und Caroline Fetscher haben den Srebrenica-Prozess gegen General Krstić dokumentiert

Die Regierung der Serbischen Republik von Bosnien-Herzegowina leugnet das Massaker von Srebrenica bis heute. Noch am 3. September 2002 legte ihr „Büro für die Zusammenarbeit mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal“ einen Report vor, der die Zahl von mehr als 7.000 im Juli 1995 ermordeten Muslimen als „übertrieben“ bezeichnete.

Tatsächlich seien nur 2.000 Mitglieder der 28. Division der Armee Bosnien-Herzegowinas umgekommen, davon 1.800 in Kampfhandlungen, 100 starben an Erschöpfung. Leider seien auch ebenso viele Muslime der privaten Vergeltung von Angehörigen der bosnisch-serbischen Armee zum Opfer gefallen. Diese Soldaten waren über die Regeln des Krieges „nicht informiert“. So die neueste Version der Lüge.

Auf den bosnisch-serbischen General Radislav Krstić kann sich die Regierung bei ihrer Argumentation nicht berufen. Denn Krstić hat bei seinem anderthalbjährigen Prozess vor dem Haager Gerichtshof gestehen müssen, dass das Srebrenica-Massaker stattgefunden hat – organisiert von der serbischen Militärführung um Ratko Mladić.

Die Reporterin des Belgrader Radiosenders B 92, Julija Bogoeva, und die deutsche Balkan-Korrespondentin Caroline Fetscher haben das Krstić-Verfahren nun auszugsweise in einem hervorragend edierten Band dokumentiert.

Die Verteidigung brachte zur Entlastung Krstić’ u. a. vor, der General sei erst nach Abschluss der Massaker zum Chef des Drina-Korps ernannt worden, das die Morde ausführte. Vergebens. Die Beweise, Indizien oder Zeugenaussagen gegen Krstić waren erdrückend.

Die beiden Herausgeberinnen zeichnen neben dem Prozess auch das gesamte Schreckensbild so nach, wie es das Gericht zu rekonstruieren versuchte. Sie belegen noch einmal, dass alle Akteure der internationalen Gemeinschaft, vor allem das niederländische Blauhelm-Bataillon, sich als unfähig zur Intervention erwiesen – was symptomatisch für den gesamten Bosnienkrieg sei.

Das Buch enthält Auszüge der Anklage, der Abschlussplädoyers und der Urteilsbegründung ebenso wie die forensische Beschreibung der Hinrichtungsstätten, der Gräber und der Leichen. Als Kronzeugen lassen Bogoeva und Fetscher zwei Überlebende der Massaker ausführlich zu Wort kommen.

Die gelungene, zugleich quälend zu lesende Dokumentation bestätigt damit die bisherigen Bewertungen der Ereignisse von Srebrenica. Es gibt keinen Zweifel mehr: Es war Massenmord. Das Gericht bewertete ihn als Völkermord und sah Radislav Krstić als einen der Hauptverantwortlichen dafür an. Am 3. August 2001 wurde er daher zu 46 Jahren Haft verurteilt.

Vergleicht man die Beweiskette der Anklage im Fall Krstić mit derjenigen im noch laufenden Milošević-Prozess, ist eine Schlussfolgerung möglich: Auch der frühere serbische Präsident wird – wegen anderer Verbrechen – zu einer ähnlich hohen Strafe verurteilt. HEIKO HÄNSEL

Julija Bogoeva/Caroline Fetscher (Hg.): „Srebrenica. Ein Prozess“. 368 Seiten, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2002, 13 €