„Not in our name“

Kampagnenjournalismus hat in Britannien nicht den gleichen schlechten Ruf wie in Deutschland. Und richtet sich gegen die Irakpolitik von Tony Blair

von STEFFEN GRIMBERG

Forward with Britain, vorwärts mit Großbritannien, war lange Zeit das Motto der Boulevardzeitung Daily Mirror. Politisch lag das Blatt meist auf Linie der Labour-Partei. Das ist nun vorbei. Zumindest in der Irakfrage kann sich Labour-Premierminister Tony Blair die Unterstützung der Zeitung mit Zwei-Millionen-Auflage abschminken: „This War Is Wrong“, dieser Krieg ist ein Fehler, titelt der Mirror. Mit Ausnahme der Times und des rechtskonservativen Daily Telegraph machen auch die anderen Blätter Druck auf Blairs uneingeschränkte Solidarität mit den Strategien der Bush-Administration.

Vor allem der Guardian verstärkt seine Kritik am „kriegstreiberischen“ Regierungsschef und setzt ein aktuelles Gedicht des Dramatikers Harold Pinter dagegen (siehe Kasten). Kronzeuge des Mirror ist dagegen kein Pazifist, sondern Simon Weston, Held des Falklandkrieges 1982 und bekennender Unterstützer der SoldatInen Ihrer Majestät. „Lassen wir uns da hereinziehen, nur um Präsident Bush zu gefallen? Nur für [die Interessen von] Industrie und Handel?“, fragt nun der damals Schwerverletzte, dessen enstelltes Gesicht bisher eher bei Veteranentreffen als auf Friedensdemonstrationen zu sehen war.

Mit sieben Seiten Antikriegskampagne erschien gestern der Mirror, und er forderte seine LeserInnen auf, eine Protestnote an Tony Blair zu unterzeichnen: „Mr. Blair, hiermit erkläre ich, dass ich gegen jeden Krieg mit Irak bin, der nicht durch eindeutige Beweise der Vereinten Nationen gerechtfertigt ist.“

Die britische Regierung reagierte bisher nicht offiziell auf diese „Not in our name“-Aktion. Tony Blair erklärte am Montag lediglich, er „verstehe absolut“, warum die britische Öffentlichkeit skeptisch mit dem Thema Irak umgehe. Nach einer im Guardian veröffentlichten Umfrage halten rund 47 Prozent der Bevölkerung die aktuelle Politik der USA und Großbritanniens für falsch.

Die Kampagne des Mirror, der sich selbst als „normalerweiser kritischer Freund der Labour-Partei“ beschreibt, ist in ihrere Radikalität zwar bezeichnend, aber für das britische Verhältnis von Medien und Politik nichts Ungewöhnliches: Gerade die Boulevardblätter, mit rund acht Millionen Exemplaren Gesamtauflage fast doppelt so stark wie die Bild-Zeitung in Deutschland, versuchen immer wieder, selbst Politik zu machen.

Und weil’s obendrein der Auflage bekommt, zeigt der Mirror jetzt täglich Stars und Sternchen beim Unterschreiben des „No War“-Appells der Zeitung – gestern waren die FeministInnen-Ikone Germaine Greer, die Berufstochter Stella McCartney und Mick Jaggers Exgemahlin Jerry Hall dabei.

Dass Kriege generell die Nachfrage nach Zeitungen steigern, Medien im Prinzip immer so etwas wie unfreiwillige Kriegsgewinnler sind, ist nicht eben neu. Kritische Fragen, ob die Mirror-Kampagne diesen Effekt jetzt schon im Vorfeld mitzunehmen versucht, stoßen aber auf energischen Widerspruch. „Das ist einfach nicht wahr“, sagt ein Sprecher der Zeitung.

zum Weiterlesen: www.mirror.co.uk , www.guardian.co.uk