Solarstrom statt Diesel

Elektromotoren sind effizienter als Verbrennungsmotoren. Ein findiger Ingenieur hat auf dieser Grundlage ein sehr sparsames Antriebskonzept für eine solar betriebene Eisenbahn entwickelt

„Elektrizität ist künftig als Antriebsmedium einfach unschlagbar“

Lukas, der Lokomotivführer aus Lummerland, und Ulrich Ottensmeyer, Ingenieur aus dem niedersächsischen Dörfchen Stiepelse, haben eines gemeinsam: Beide nennen eine weibliche Lokomotive ihr Eigen. Während Lukas „Emma“ als klassische Dampflok jedoch mit Kohlen fährt, verbraucht Ottensmeyers „Else“ Solarstrom. Das kleine blaugelbe Gefährt sieht zwar aus wie von einem Kinderkarussell ausgeliehen, ist in Wirklichkeit aber der selbst gebaute Prototyp einer Solareisenbahn: Else, die ELektrische SolarEisenbahn.

Die einzelnen Bestandteile des Antriebskonzepts sind keine neue Erfindung, wohl aber deren Kombination in dieser Konsequenz: Der Triebwagen ist optimiert auf einen extrem sparsamen Energieverbrauch. Die ursprüngliche Idee zu dem Konzept hatte Erfinder Ottensmeyer schon vor über zwölf Jahren. Herzstück der Antriebstechnik ist neben den aufs Dach montierten Photovoltaikmodulen mit 0,36 Kilowatt Leistung ein Elektromotor, der beim Bremsen und Gefällefahren als Generator fungiert und die so zurückgewonnene Energie in die mitgeführten Akkus einspeist. Auf normaler Strecke fließt der Strom vom Dach direkt in den Motor, nur beim Anfahren und Beschleunigen wird zusätzliche Energie aus den Akkus entnommen, die durch die Energierückgewinnung jedoch immer wieder weitgehend aufgeladen werden. In Stillstandzeiten können die Photovoltaikmodule das, was noch fehlt, ersetzen – vorausgesetzt, die Sonne scheint. Dann ist Elses Reichweite, wenn kurze Betriebspausen und eine auf 15 Stundenkilometer gedrosselte Geschwindigkeit einkalkuliert werden, praktisch unbegrenzt. Ohne jegliche Stromzufuhr aus den Solarmodulen beträgt die Reichweite 60 Kilometer bei 80 Stopps, bei bedecktem Himmel sind es etwas weniger.

„Elektrizität ist als Antriebsmedium unschlagbar“, erklärt Konstrukteur Ottensmeyer. „Ein Verbrennungsmotor befindet sich aufgrund ständig wechselnder Lasten – Stillstand, Beschleunigung, Rollen oder Bremsen – größtenteils in den ineffizienten Betriebszuständen Teillast oder Leerlauf.“ Ottensmeyer, studierter Kfz-Ingenieur, weiß, wovon er spricht.

Ungewöhnlich ist, dass er sich als Spezialist für Verbrennungsmotoren für Elektroantriebe interessiert, denn „das sind normalerweise streng getrennte Denkschulen“. Aber Ottensmeyer geht es um Effizienzsteigerung, und da hat der moderne Elektromotor mit einem energetischen Wirkungsgrad von bis zu 99 Prozent im Gegensatz zu den (im Stadtverkehr) 3 Prozent des Benzinmotors klar die Nase vorn. Wenn zudem noch Bremsenergie gespeichert und wieder verwendet wird, ist der Antrieb sehr sparsam.

Dass das tatsächlich so funktioniert, stellt Prototyp Else seit zweieinhalb Jahren unter Beweis. Seitdem besucht Ottensmeyer mit seiner Minibahn Museumsbahnstrecken, Solarmessen und Straßenfeste. Bei Bedarf bringt er einen eigenen, bis zu 240 Meter langen Gleisabschnitt mit, der kurzerhand auf der Straße verlegt wird.

Auf große Triebwagen, zum Beispiel von Zügen und Straßenbahnen, ist das Modell allerdings nicht ohne weiteres übertragbar. Die Energie der PV-Module würde für den normalen Fahrbetrieb bei weitem nicht ausreichen, die Akkus wären schnell leer. Doch der Kernbestandteil des Konzepts, der Elektromotor mit Speicher und Energierückgewinnung, kann in Bahnen und sogar in Pkws und Bussen eingesetzt werden, meint Ottensmeyer. Man müsse den Solargenerator nur durch einen kleinen Dieselgenerator ersetzen, der nur zwei Betriebszustände kennt, Stillstand oder Optimalbetrieb, damit den Motor mit Strom versorgt und bei Bedarf den Speicher nachlädt, der die Hauptarbeit beim Anfahren und Beschleunigen leistet.

Verkehrsbetriebe wie die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) und die VAG Nürnberg setzten bereits Prototypen mit dem so genannten dieselelektrischen Antrieb ein. In Nürnberg fuhr im letzten Jahr 6 Monate ein dieselelektrischer Bus mit Hochleistungskondensatoren (UltraCaps) als Energiespeicher. Er verbrauchte im Vergleich zu herkömmlichen Dieselbussen 20 Prozent weniger Kraftstoff. Karl-Heinz David, Entwicklungsingenieur beim Bushersteller Neoplan, der verschiedene dieselelektrische Busse gebaut hat, sagt: „Das Konzept ist in der Theorie schlüssig, in der Praxis treten leider noch eine Menge Probleme auf.“ Die diversen Speichersysteme, ob Batterie, UltraCap oder Schwungradspeicher, seien entweder zu kurzlebig oder zu teuer. Und auf einen durchschnittlichen Gesamtfahrzyklus eines Linienbusses gerechnet, könne man nur rund 25 Prozent der aus dem Speicher entnommenen Energie durch Bremsenergie zurückgewinnen. „Die Effizienzvorteile des Systems werden – noch – durch das zusätzliche Gewicht, etwa durch den Speicher, wieder aufgezehrt“, ergänzt Ingenieur Georg Schindzielorz von der BSAG. „Technisch ist das Konzept machbar, wirtschaftlich einsetzbar jedoch zurzeit nicht“, resümiert David.

„Würde man einen Verbrennungsmotor ohne die jahrzehntelange Entwicklungsarbeit heute neu herstellen, wäre er auch unbezahlbar“, meint Ottensmeyer dazu lapidar. Er tüftelt bereits an einem Nachfolgemodell, das etwas größer und schneller werden soll als Else 1, die dann zum Verkauf steht. Ihr Erbauer hofft auf einen Interessenten aus der Museumseisenbahn-Szene, notfalls wird sie versteigert. Ihre Nachfolgerin soll in Zukunft die Öffentlichkeitsarbeit für das energiesparende Antriebskonzept machen. NICOLE PAUL

Infos unter www.Solarbahn.de