Besuch eines alten Freundes

In „Völker dieser Welt, relaxt“ erzählt Tom Robbins von einem CIA-Agenten, von Papageien, Nonnen und Teenagern

Mit den Romanen von Tom Robbins ist es wie mit einem alten Freund, der selten vor der Tür steht. Man freut sich, denkt aber gleichzeitig: „Das kann dauern.“ Der Freund fläzt sich sofort auf das Sofa, und man lässt ihn erst einmal reden. Zunächst hören sich seine Anekdoten abgedroschen an, doch Stunden später schwirren bunte Geschichten durch den Raum, und man ist milde euphorisiert.

Tom Robbins also, mittlerweile 66 Jahre alt, bleibt in seinem neuen Roman „Völker dieser Welt, relaxt“ auf vertrautem Terrain: es geht um Religion, Esoterik, Philosophie, um Sex, Drogen, Romantik und die Suche nach dem persönlichen Glück. Robbins’ Protagonist, der frohnaturige CIA-Agent Switters, führt diese Suche an obskure Orte. Sein Ausflug in den peruanischen Dschungel, wo er Großmutters Papagei freilassen soll, hat Folgen. Fortan sitzt er – trotz körperlicher Unversehrtheit – im Rollstuhl. Das hindert Switters nicht, sich weiter durchzuschlagen: in ein kurdisches Dorf, in einen Nonnenkonvent in der syrischen Wüste und schließlich sogar in den Vatikan.

Ein Gedanke zieht sich durch alle Romane von Tom Robbins – dass es das Widersprüchliche ist, was das Leben lebenswert macht. Dies scheint insbesondere für sein neues Buch zu gelten, in dem er seinen Helden in Ambivalenz schwelgen lässt: „Switters hatte sich längst damit abgefunden und sogar schätzen gelernt, dass er selbst ein Musterbeispiel an Widersprüchlichkeiten darstellte. Der Grund für die Ungereimtheiten lag seiner Meinung nach darin, dass er genau zwischen den Zeichen von Krebs und Löwe geboren und von den jeweiligen Kräften des Mondes und der Sonne in entgegengesetzte Richtungen gezerrt wurde. Dass er starke Vorbehalte gegen die Zuverlässigkeit astrologischer Deutungen hegte, erhärtete nur die Beweiskraft dieser Theorie.“

Doch ausgerechnet dieser Roman, der die Zerrissenheit der Welt feiern will, ist zu sehr aus einem Guss. Obwohl die Handlung erneut wild um die Ecken schießt, ahnt man schnell, wo die erzählerische Absicht liegt. Es gibt wenige Überraschungsmomente. Woran liegt das?

Nach dem Niedergang von Robbins’ subkulturellem Bezugsrahmen, der seinen ersten Roman inspiriert hatte – der Gegenkultur der Sechziger –, kamen seine Protagonisten meist aus ganz anderen Lebenswelten. Die Heldin seines letzten Buches „Halbschlaf im Froschpyjama“ etwa war eine geldgeile und karriereorientierte Börsenmaklerin. Daraus entstand oft eine produktive Reibung mit Robbins’ eigenem, in seinen Büchern stets präsentem Hippie-Wertesystem.

Vordergründig sucht er diese Konfrontation auch diesmal: Immerhin ist Switters Agent der CIA. Sein Job aber dient lediglich als Hintergrund für Reisen an exotische Orte und ein paar seltsam theoretisch bleibende Abhandlungen darüber, dass es auch in der CIA solche und solche gibt. Er tingelt durch die Welt, mal in amouröser Mission bei der Stiefschwester, mal auf den Spuren von Fatimas dritter Prophezeiung. Es scheint, als ob Robbins diesmal an manchen Stellen aufdringlich dicht hinter seinem Protagonisten steht und einflüstert, was er schon immer mal loswerden wollte – über Religion oder über die sexuelle Entflammbarkeit pubertierender Mädchen. Das wirkt bisweilen selbstgefällig. Denn wenn Switters an Grenzen stößt, dann allein, weil sein Umfeld ihn beschränkt. In diesem Sinne darf er sich dann zum glücklichen Ende auch zwischen den zwei Frauen entscheiden, die vorher strictly off limits waren: seiner Teenie-Halbschwester und einer Nonne.

Trotz alldem: Robbins versteht es, mit Ideen zu jonglieren und eine Menge schicker Drehungen in seine Geschichten einzubauen. Das ist dann auch der gute Eindruck, der bleibt – dann, wenn man nach dem Besuch des alten Freundes durchgelüftet hat und sich fragt: „Wann kommt er wohl wieder?“

STEPHANIE GRIMM

Tom Robbins: „Völker dieser Welt,relaxt“. Aus dem Amerikanischen von Pociao und Roberto de Hollanda.Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2002,633 S., 16,90 €