Rot-Grün kann US-Bomber stoppen

Gutachten des wissenschaftlichen Parlamentsdienstes bringen Gerhard Schröder in Bedrängnis. Der Kanzler darf und muss völkerrechtswidrige US-Aktionen von Deutschland aus verhindern. Das Grundgesetz verbietet, Angriffskriege zu unterstützen

aus Berlin PATRIK SCHWARZ

Die Hilfszusagen der rot-grünen Koalition an die US-Regierung für den Fall eines Irakkriegs geraten zunehmend ins Zwielicht. Nachdem US-Präsident Bush vorgestern einen Alleingang seines Landes andeutete, wird in Berlin verstärkt diskutiert, ob ein Angriff der USA ohne ausdrückliche Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat völkerrechtlich zulässig ist. Zwei Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages beantworten die Frage mit Nein – und weisen auf die besondere Verantwortung der Bundesregierung hin, wenn sie den USA den deutschen Luftraum zur Verfügung stellt.

„Die Resolutionen 678 (1990), 687 (1991) und 1441 (2002) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sind keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für ein künftiges militärisches Vorgehen gegen den Irak“, heißt es in einem Gutachten vom 2. Januar dieses Jahres. „Es ist vielmehr eine erneute Beratung und Beschlussfassung des Sicherheitsrates erforderlich.“

Ähnlich hatte vergangene Woche bereits der Jurist Christian Tomuschat geurteilt, der seit 1981 dem Völkerrechtswissenschaftlichen Beirat des Auswärtigen Amtes angehört. „Nach wie vor gilt die Grundregel, dass Gewaltanwendung gegen einen Staat nur in zwei Fällen zulässig ist: zur Selbstverteidigung oder wenn der Sicherheitsrat eine Ermächtigung erteilt hat“, sagte Tomuschat dem Spiegel. Selbstverteidigung könne es nur „in einer Extremlage geben, wenn die feindlichen Raketen quasi schon abschussbereit sind“. Ohne ein neues UN-Mandat gelte darum das Gewaltverbot des Grundgesetzes, so „dass Deutschland den USA bei einem völkerrechtswidrigen Angriff nicht helfen darf“.

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hatte bereits am 2. September letzten Jahres gewarnt: „Es ist immer noch so, dass Angriffskriege nach der Verfassung verboten sind.“ Er bezog sich auf die Rede von US-Vizepräsident Cheney, der zuvor einen „Regimewechsel“ in Bagdad als Ziel der amerikanischen Politik bezeichnet hatte. Der inzwischen verstorbene Leiter des Hamburger Instituts für Friedensforschung, Dieter S. Lutz, stützte damals gegenüber der taz Thierses Bewertung: „Ein Präventivkrieg ist ein Angriffskrieg, da gibt es nichts zu deuteln.“

Bundeskanzler Schröder sagte den USA im November neben Überflugrechten unter anderem die Nutzung ihrer Basen auf deutschem Boden zu sowie den Schutz amerikanischer Militäreinrichtungen durch Bundeswehrsoldaten. In einem zweiten Gutachten vom 18. Dezember 2002 kommt der wissenschaftliche Dienst des Bundestages zu dem Ergebnis, dass diese Hilfszusagen sich nicht zwangsläufig aus deutschen Bündnisverpflichtungen ergeben: „Liegen die Voraussetzungen des Bündnisfalls, wie bei einer präventiven militärischen Maßnahme, nicht vor, kann aus dem Truppenstatut (…) keine Berechtigung folgen, eigenständig präventive Angriffshandlungen über das Territorium der Bundesrepublik Deutschland zu führen.“ Die Entscheidung liegt demnach bei der Bundesregierung.