Kirche stempelt Bush zum Fundi

EKD-Chef Kock rückt den US-Präsidenten in die Nähe islamischer Fundamentalisten, und sein katholischer Kollege Lehmann bezeichnet einen Präventivkrieg als „sittlich nicht erlaubt“. Ex-CDU-General Geißler: Bush agiert „wie ein christlicher Ajatollah“

BERLIN dpa/epd ■ Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Manfred Kock, hat US-Präsident George W. Bush angesichts der Kriegsdrohungen gegen den Irak „religiösen Fundamentalismus“ vorgeworfen. Zur Begründung eines Angriffes nutze Bush ähnliche Argumentationen wie islamische Fundamentalisten. „Krieg wird als Mittel einer heiligen Pflicht der Menschheitsbefreiung und Erlösung beschrieben, und das ist furchtbar.“ Der US-Präsident teile die Welt in Gut und Böse ein und bezeichne sich selbst als „Repräsentation des Guten“, der der Welt Erlösung bringen wolle. „Ich bin der Auffassung, dass islamische Fundamentalisten im Grunde die gleiche Terminologie verwenden, nämlich solch ein göttliches Sendungsbewusstsein zur Begründung von politischer Aktivität.“

Der FDP-Fraktionsvize Werner Hoyer nannte Kocks Aussagen „völlig inakzeptabel und maßlos“ und forderte eine öffentliche Entschuldigung. Die Kirche müsse zu einer sachlichen Debatte zurückkehren.

Einen indirekten Vergleich zwischen Bush und islamischen Fundamentalisten zog auch der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler. Er sprach in den Stuttgarter Nachrichten von einem „schleichenden Verfall der internationalen Moral“. „Die US-Außenpolitik theologisiert: Bush tut so, als ob es sich um religiöse Wahrheiten handelt“, sagte Geißler. In der Politik könne es aber immer nur um „vorletzte Wahrheiten“ gehen. „Wer das abstreitet, agiert wie ein christlicher Ajatollah.“

Gegen einen Präventivkrieg wandte sich auch der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann. „Ein Krieg zum Sturz tyrannischer und bedrohlicher Regierungen oder zur Gefahrenvorbeugung – manchmal auch ‚Präventivkrieg‘ genannt – ist sittlich nicht erlaubt“, schrieb Lehmann in der Bild am Sonntag. Krieg dürfe aus Sicht der Kirche nur in „extremen Situationen“ in Betracht kommen, entweder zur Abwehr eines unmittelbaren Angriffs oder zum Kampf gegen ein „Menschheitsverbrechen“ wie Völkermord. Der katholische Theologe Hans Küng schlug eine persönliche Friedensmission von Papst Johannes Paul II. nach Bagdad zur Verhinderung eines Irakkrieges vor. Er könne sich mit den Erklärungen des Papstes gegen den Krieg hundertprozentig identifizieren, sagte Küng im Südwestrundfunk. Angesichts des drohenden Krieges müssten die Weltreligionen ihre Stimmen „prophetischer und unbequemer“ erheben.

Kommenden Mittwoch wollen sich Spitzenvertreter der protestantischen Kirchen aus ganz Europa in Berlin auf eine Position in der Ablehnung eines Irakkrieges verständigen. Auch ein Treffen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ist geplant.

Der Bischof der evangelischen Kirchenprovinz Sachsen, Axel Noack, rief zu friedlichen Protesten auf. „Wir können nicht einfach zusehen, wie die UNO demontiert wird“, sagte Noack. „Es geht nicht an, dass die Inspektoren der Vereinten Nationen lächerlich gemacht werden – weder vom Irak noch von den USA.“