Gute Demo, böse Demo

Münchner Polizei warnt vor Protestzug der Globalisierungskritiker und rät zu Teilnahme an Gewerkschaftskundgebung. Attac-Sprecherin zeigt sich über diese Unterscheidung empört

aus München JÖRG SCHALLENBERG

Nein, nein, Bayern sei natürlich gar nicht unsicher, versichert der US-Generalkonsul in München, Robert W. Boehme. Die Reisewarnung seines Außenministeriums für das kommende Wochenende sei Routine, mehr nicht. Kaum zu glauben. Denn mittlerweile hat die amerikanische Botschaft in Deutschland zwei Briefe an hier ansässige US-Bürger verschickt, in denen noch einmal vor den Münchner Demonstrationen gegen die Sicherheitskonferenz und den Irakkrieg gewarnt wird. Außerdem sollten die US-Amerikaner ihre Autos voll tanken und ihre Papiere bereit halten. Falls sie denn mal schnell zum Flughafen rasen müssen, um dieses gefährliche Land zu verlassen.

Nein, nein, sagt Generalkonsul Boehme noch mal, das seien doch alles nur Standardbriefe mit allgemeinen Verhaltenstipps. Mit dieser Meinung steht er allerdings ziemlich alleine da. Vom Münchner SPD-Oberbürgermeister Christian Ude bis zu Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber werteten Politiker aller Lager die Verlautbarungen der US-Behörden als „reine Panikmache“ und „völlig unangebracht“. Vor allem Ude regte sich darüber auf, dass den Demonstranten, die am Wochenende in München auf die Straße gehen werden, „plumper Antiamerikanismus“ unterstellt werde: „Gerade unter Freunden sollte ein klares Nein möglich sein.“

Bis zu 15.000 Teilnehmer werden in am Wochenende zu zwei großen Demonstrationen und diversen Veranstaltungen erwartet – darunter auch „eine große Anzahl gewaltbereiter Autonomer“, wie Polizeisprecher Jens Viering sagte. Mit der bewährten „Münchner Linie, beim geringsten Anzeichen von Gewalt sofort entschlossen und hart durchzugreifen“, werde man für Ruhe und Ordnung sorgen. Wer in München schon gegen Weltwirtschaftsgipfel oder frühere Sicherheitskonferenzen demonstriert hat, weiß, dass diese Ankündigung eher untertrieben ist.

Außerdem hat die Polizei für besorgte Bürger einen weiteren Tipp parat: Wer jeden Ärger vermeiden wolle, solle doch an der Demonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes teilnehmen, die heute um 10 Uhr an der Münchner Freiheit beginnt und zum Odeonsplatz führt. Größere Risiken sieht Polizeisprecher Viering dagegen bei dem seit Monaten angemeldeten Protest von Attac, dem Bündnis gegen die Nato-Sicherheitskonferenz und dem Münchner Friedensbündnis, die um 12 Uhr auf dem Marienplatz beginnt: „Von den teilnehmenden Organisationen kommen zwei Drittel aus dem linksextremen Spektrum.“ Gewalt sei da nicht auszuschließen.

Die Organisatoren sind über diese Unterscheidung empört. Sophia Deeg von Attac warf Polizei und Innenministerium vor, „den berechtigten Protest gegen die Kriegspolitik von vornherein zu diffamieren“. Gewalt gehe „nur von den Planungen der Politiker und Militärs im Bayerischen Hof aus“. Die 250 Teilnehmer der Sicherheitskonferenz sind zumindest gut gesichert. Mehr als 3.500 Polizisten sind in München zusammengezogen worden, um das Nobelhotel wird ein Sicherheitsbereich errichtet, die Flugverbotszone über der Stadt wurde ausgeweitet. Für den Fall, dass doch etwas passieren sollte, hat der US-Geheimdienst die besten Fluchtrouten längst ausgekundschaftet.

Nach ganz anderen Auswegen suchen derweil die Teilnehmer des Kongresses „Zivil Macht Europa“ und der Friedenskonferenz, die parallel zur offiziellen Sicherheitskonferenz stattfinden und Alternativen zu den dort diskutierten Strategien aufzeigen wollen. Bereits am Donnerstagabend forderte der Friedensforscher Hartwig Hummel eine Abkehr von der traditionellen Sicherheitspolitik in nationalstaatlicher Verantwortung: „Die Vorstellung, dass Staatsinteressen Vorrang vor allen anderen Interessen haben, ist nicht mehr tragbar.“ Schade, dass US-Verteidigungsminister Rumsfeld dort nicht vorbeischaut. Diese These hätte ihm bestimmt gefallen.