DIE TÜRKEI HAT KEINE ANDERE WAHL, ALS DIE USA ZU UNTERSTÜTZEN
: Ankara in der Zwickmühle

Der Mann im Kaffeehaus am Bosporus, der einer Livesendung zum drohenden Irakkrieg zugeschaltet wurde, verblüffte die Politiker und Journalisten im Studio. Ein ehrbarer Mensch müsse seine Schulden bezahlen. Doch Krieg sei etwas Schlimmes. Er sei daher bereit, Geld zu sammeln um die türkischen Schulden an die USA abzubezahlen – aber nicht dazu, in den Krieg zu ziehen. Das war Klartext: Die Türken wollen keinen Irakkrieg. Doch sie wollen auch nicht ihre Gläubiger in der internationalen Finanzwelt und die USA verprellen.

Diese Antikriegshaltung ist nicht zuletzt Folge des Golfkrieges von 1991. Damals versuchte Präsident Turgut Özal im Deal mit den Amerikanern, den Status quo in der ganzen Region zu verändern. Doch statt beim Machtpoker zu gewinnen, verlor die Türkei. Hunderttausende kurdische Flüchtlinge aus dem Nordirak kamen und die türkische Wirtschaft machte Milliardenverluste. Eine Wiederholung solcher Zustände ist das Horrorszenario jeder türkischen Regierung. Die Regierenden in Ankara sind also in einer Zwickmühle. Sie wissen, dass ein Krieg ihre angeschlagene Ökonomie ebenso ruiniert wie eine Verweigerungspolitik gegenüber den USA. Was bleibt, ist eine Doppelstrategie: Einerseits Dialog mit den Irak-Anrainern Syrien, Jordanien, Iran und Saudi-Arabien, um ein Gegengewicht zur US-Politik zu formieren. Zum anderen die Ausarbeitung genauer Vertragsbedingungen für den wahrscheinlichen Fall, dass US-Truppen in der Türkei stationiert werden um von dort aus Krieg zu führen. Die Konturen des Geschäftes zeichnen sich bereits ab: Schuldenerlass und Finanzspritzen fordern die Türken von den USA. Dafür sollen türkische Truppen in den kurdischen Nordirak eindringen um auf irakischem Territorium Flüchtlinge abzufangen. Irakische Kurden, Amerikaner und Türken verhandeln über Details.

Der Mann im Kaffeehaus, der gegen den Krieg ist und lieber seine Schulden abbezahlen will, ist ein Fossil aus einer Welt, in der die Frage nach Krieg und Frieden moralisch gestellt wird. Die Moderne lehrt uns, dass Krieg überall eine Frage des Geschäftes ist. ÖMER ERZEREN