Hier kommt die Bertelsfrau AG

Deutschlands größter Medienkonzern wird wieder zum Familienbetrieb. An der Spitze steht jetzt offiziell Liz Mohn

Wenn Geschäftsmänner ihren Ehefrauen formal den ganzen Laden übereignen, steckt oft die Steuerfahndung dahinter. Oder das Insolvenzgericht. Bei Bertelsmann kann davon keine Rede sein: Reinhard Mohn, dem Medienpatriarchen und Konzernherrn über die RTL-Sendergruppe, den Verlagsriesen Gruner + Jahr, Druckereien und Buchclubs in aller Welt, geht es vielmehr um „Verantwortung für seine Mitarbeiter“. Und ein bisschen auch darum, den Laden vor den Kapitalrittern der Aktienmärkte zu schützen und das Gütersloher Idyll so lange wie möglich in der Familie zu halten.

„Während es früher zum Selbstverständnis des Unternehmers gehörte, Verantwortung für seine Mitarbeiter zu übernehmen, ist heute in den Großbetrieben eine solche Einstellung eher die Ausnahme“, schrieb Mohn gestern in der Welt am Sonntag. Nebulös bleibt, was er darunter konkret versteht. Wen er aber meint, machte der 81-Jährige unmissverständlich deutlich: v iele seiner ehemaligen Spitzenkräfte, allen voran den im Sommer 2002 spektakulär geschassten Thomas Middelhoff. „Es ist gefährlich, Manager zu haben, welche insgeheim ihre persönlichen Ziele im Unternehmen als vorrangig bewerten“, so Mohn: „Das Haus Bertelsmann ist in diesem Sinne durch mehrfache Enttäuschung darüber belehrt worden, dass Manager gelegentlich (…) anders reagieren als Unternehmer.“ Die Folgen könne man derzeit überall erleben: „Ich bin überzeugt, dass die weltweite Welle von wirtschaftlichen Zusammenbrüchen damit im Zusammenhang steht“, tritt Mohn in Richtung Middelhoff & Co. nach.

Nun kann man sich als Firmeninhaber solche Erkenntnisschübe leisten, selbst wenn man vor wenigen Jahren noch entgegengesetzter Meinung war: „Die Familientradition darf nicht zum Dogma erhoben werden“, so Mohn damals, nicht mehr „der Kapitalbesitz legitimiert zur Führung, sondern einzig und allein die Qualifikation“.

Jetzt also ist die Familie wieder die angestammte Keimzelle allen Unternehmertums. In deutschen Medienhäusern, die fast alle nach ihren Besitzern heißen (Springer, Holtzbrinck, Bauer, Burda und bis neulich auch Kirch) hatte man sich ohnehin nie sehr weit von diesem Ideal entfernt: Allein Springer-Aktien sind frei an der Börse zu haben. Und auch hier hält der Clan um Verlegerwitwe Friede die eigentliche Entscheidungsgewalt fester denn je in der Hand. Vielleicht erschien auch deshalb Mohns Bekenntnis in Springers WamS. Bertelsmann, so Mohn, habe nun ebenfalls„rechtliche Lösungen geplant, welche gewährleisten, dass alle wichtigen Entscheidungen (…) nur mit der Zustimmung der Familienvertreter erfolgen können. Federführend für die Wahrnehmung des Familieneinflusses habe ich meine Frau eingesetzt.“

Liz Mohn, die gelernte Pfadfinderin und Zahnarzthelferin, führt bereits seit August 2002 die Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft, die 75 Prozent der Stimmrechte an der nicht börsennotierten Bertelsmann AG hält. Ebenfalls mit an Bord: die Kinder Brigitte und Christoph. 1958 hatte Liz Mohn in einem Bertelsmann-Buchclub angefangen, stieg auf, wurde Mohns Lebensgefährte und 1982 auch standesamtlich seine Frau. Zur Zeit der von Mohn verfügten Trennung von Kapital und Management gab sie die First Lady von Gütersloh, engagiert sich bis heute karitativ – und rückte durch ihren Posten bei der einflussreichen Bertelsmann-Stiftung dem konzerneigenen Machtzentrum immer näher. Jetzt ist sie, mit dem Segen des Patriarchen, endgültig angekommen. STEFFEN GRIMBERG