Bunte Bretterbuden

Voll folkloristische Flussbilder, starke Frauen, ganz gute Polizisten und Volkes Stimme: Moussa Sene Absas senegalesische Popularballade Madame Brouette im Wettbewerb

Eine Moritat aus dem Senegal, aufbereitet für frankophile Ethnointeressenten in Kanada und Westeuropa. Nein, das ist schäbig. Sagen wir lieber: eine prächtige Popularballade aus dem Gewusel des Bretterbudenmarktes. Hinten, die Hochhäuser kommen nicht näher. Wohl aber die Straßensänger, die uns mit einem wohligen Gefühl versorgen, wenn wir uns eigentlich um die Frauen im Senegal sorgen müssten. Und so wissen wir es von Anfang an: Frauen sind stark. Das tut gut. Den Männern hilft auch nicht, dass sie zum Schluss im Fummel rumlaufen; nicht nur weil Crossdressingfolklore angesagt ist, sondern weil sie krank, pädophil, kriminell und fundamentalistisch sind.

Um es auf den Punkt zu bringen: Der Bulle, der gar kein Böser ist, aber aus seiner Kondition nicht rauskommt, wird erschossen. „Es ging nicht anders“, sagt die überaus sympathische Madame Brouette. Und wir kommen in ausgedehnten Rückblenden sowie mit Hilfe der Musik zur Einsicht, dass dem so ist. Von Afropop bis zum Morricone-Pfeifen wird uns das leicht gemacht. Keine Chance, den Mund aufzumachen und was zu fragen.

Madame Brouette also, die selbstbewusste, junge Frau, macht sich selbstständig. Als Zuckerschmugglerin. Das Kanu ist bis zum höchsten Bord beladen, und das Krokodil hält beim Schlafen ein Auge offen. Das hören wir im Off von der Moritaten-Group. Zu sehen sind voll folkloristische Flussbilder. Wie hässlich und fade dagegen die Männerhäuser und -zellen. Auf der Polizeistation wird ein bisschen gefoltert und ziemlich viel kassiert. In der Moschee werden die Frauen verstoßen. Trüb das. Aber unter freiem Himmel blühen Frauen auf. Zwar wird Madame Brouette, die unreuige, aber geständige Mörderin, abgeführt. Aber das macht nichts. Denn längst hat die Senegalballade das Herz gefüllt. Und zweitens ist der Polizeichef jetzt ein ganz Guter. Nichts mehr von Dealen und Zuhalten auf der Wache. Nein, jetzt amtiert ein väterlicher Schnauzbart, den man einfach lieb haben muss. Mit „Madame Brouette“ kann jetzt auch der senegalesische Polizeiminister gut leben. Auf dem Markt sammelt ein Reporter Statements. „Verdammte Ausländerin“, sagt eine Schwarze zu einer Schwarzen. Volkes Stimme tönt in „Madame Brouette“ vielstimmig. Möglich, das jeder sich da wiedererkennt. Und warum unsere Straßensänger von dazumal jetzt nicht als junge Straßen-Pop-Group im Senegal wiederfinden?

DIETRICH KUHLBRODT

Heute, 12, 21, 23.30 Uhr, Royal Palast