Autonome noch autonomer

Im zehnten Jahr ihres Bestehens hat sich die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) gespalten. Die größte Gruppe innerhalb der linksextremen Szene konnte sich über Neuausrichtung nicht einigen

von FRIEDERIKE LANG

Berlins linksradikale Szene steckt in der Krise. Bei der Sicherheitstagung in München blieben die unter anderem von Berliner Autonomen angekündigten gewalttätigen Aktionen aus. Und auch die Zeit der größten linksextremen Gruppe der Hauptstadt scheint abgelaufen: Die Antifaschistische Aktion Berlin hat sich gespalten.

Auf ihrer Website hat die laut Sicherheitsbehörden „handlungsfähigste“ linksradikale Gruppe der Stadt zwar nach München mobilisiert. Den Aufruf „zu Protesten gegen das Treffen der Welt-Kriegselite“ hat die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) selbst jedoch nicht mehr unterzeichnet. Und das nicht ohne Grund: Nach Informationen der taz ist die in der Öffentlichkeit vor allem durch die Organisation der 1.-Mai-Demonstration bekannte Gruppe derzeit nicht handlungsfähig – weil intern zerstritten.

Ende Januar hat ein Flügel der laut Verfassungsschutz „circa 70 Mitglieder“ zählenden AAB seinen Ausstieg aus der Gruppe verkündet. Eine Abspaltung, die sich nach Angaben eines Szenekenners vor allem gegen so genannte „Zweifler“ und „Nörgler“ aus den eigenen Reihen richtet. Schon lange soll es den Konflikt geben: Der nun ausgetretene Flügel hatte sich stets gegen Versuche gewandt, die politische Ausrichtung oder das Profil der Gruppe zu verändern.

Gegründet wurde die AAB Mitte 1993 „von nach Berlin umgezogenen militanten Autonomen aus Passau“, wie es im Verfassungsschutzbericht heißt. Unter dem Namen „Agitation und Praxis“ wollten die nicht nur aus Niederbayern kommenden Gründer den Nazis „etwas entgegensetzen“ und die radikale Linke stärken. „Antifaschismus ist der Kampf ums Ganze“, lautete seit je das Motto der später in Antifaschistische Aktion Berlin umbenannten Gruppe. Eine Parole, der sich kurz vor dem zehnten Geburtstag die meisten Mitglieder nicht mehr verpflichtet fühlen. Neuorientierung statt Prinzipientreue und Positionierungsdiskussionen statt Traditionsparolen – so die Gegensätze, an denen die AAB nun zerbrochen ist.

Dabei schien die Gruppe die üblichen linksradikalen Probleme gemeistert zu haben. Im Gegensatz zu den meist dogmatischen Positionsbestimmungen der Autonomen zeichnete sich die AAB durch eine größere inhaltliche Offenheit aus. Und war so immun gegen die üblichen Abgrenzungs- und Spaltungstendenzen in der linksextremen Szene. Weder der von Autonomen erhobene Vorwurf, ein vermeintliches Gruppenmitglied sei ein Vergewaltiger, noch die Kritik an ihrer Zusammenarbeit mit dem Politologieprofessor Peter Grottian im Vorfeld des 1. Mai 2002 beeinträchtigte die Aktionsfähigkeit der Gruppe. Auch die heftigen Auseinandersetzungen im Szeneblatt Interim zwischen Fürsprechern der palästinensischen und der israelischen Seite ließ die Einheit der AAB unbeeindruckt. Nun aber endet sie wie eine autonome Kleingruppe, die sie nie sein wollte: mit engen ideologischen Denkmustern. Mit dem Vorwurf, die meisten Gruppenmitglieder würden nicht mehr hinter den einstigen Zielen stehen. Mit Spaltung.

Ein Dritter – der sich ja normalerweise freut, wenn sich zwei streiten – ist im Fall der AAB nicht auszumachen. In der linksradikalen Szene, wo die Antifa-Gruppe wegen ihres dominanten Auftretens häufig kritisiert wurde, sieht man diese Entwicklung keineswegs mit Schadenfreude. „Trotz aller Differenzen: Die AAB hat hier durch ihre hohe Anzahl von Aktiven eine Menge gerissen“, sagt ein Szene-Insider. „Ihr Ende ist das Ende einer politischen Ära.“

Ebenso verhalten gibt sich der Verfassungsschutz. Behördensprecherin Isabelle Kalbitzer konnte auf taz-Nachfrage eine Spaltung der AAB zunächst nicht bestätigen. Eine Spaltung dürfte der Behörde erst einmal jede Menge Arbeit bescheren – nicht zuletzt, wenn konkurrierende Nachfolgegruppen sich gegenseitig mit Aktionen zu übertreffen versuchen sollten. Auch der Berliner Polizei dürfte die Spaltung der AAB nicht gerade die Arbeit erleichtern – insbesondere am 1. Mai. Bereits im vorigen Jahr gab es gleich drei Demonstrationen aus dem linksradikalen Spektrum. Der Grund für diese Demo-Vielfalt, die in diesem Mai noch vielfältiger sein dürfte: der Wunsch nach Abgrenzung.