Der Daddy hat‘s gerichtet ...

... und Kohl ist an allem schuld: Warum Gerhard Schröder George W. Bush unbeschränkte Nutzung deutschen Luftraums und der US-Basen zusichert

von ANDREAS ZUMACH

„Ich habe immer erklärt, dass wir die Bewegungsfreiheit unserer Verbündeten nicht einschränken werden.“ Mit diesem Satz in einem Interview mit dem Stern hat Bundeskanzler Gerhard Schröder unmittelbar vor seiner heutigen Regierungserklärung die Absicht der rot-grünen Koalition bekräftigt, trotz aller verbalen Ablehnung eines Irakkriegs den Streitkräften der USA zur Führung dieses Krieges das uneingeschränkte Recht zum Überflug deutschen Territoriums und zur Nutzung militärischer Einrichtungen auf deutschem Boden zu gewähren. Unbeschadet anders lautender Parteitagsbeschlüsse des grünen Koalitionspartners gilt Schröders Zusage selbst für den Fall, dass die USA den Irak ohne UN-Mandat und damit in klarem Verstoß gegen das Völkerrecht angreifen. Genau auf diese Frage der Stern-Redakteure hatte der Kanzler in dem Interview mit dem eingangs zitierten Satz geantwortet.

Mit der Formulierung von der „Bewegungsfreiheit unserer Verbündeten“ bzw. „unserer Freunde“, die „nicht eingeschränkt“ werde, hatte Schröder erstmals am 22. November auf dem Nato-Gipfel in Prag öffentlich auf das Ersuchen der Bush-Administration nach Überflug- und Nutzungsrechten reagiert. Nach offizieller Darstellung der Bundesregierung war dieses Ersuchen zusammen mit dem Wunsch nach weiteren Unterstützungsmaßnahmen für einen Irakkrieg erst kurz vor dem Gipfel in Berlin eingetroffen. Doch nach Informationen der taz waren die Überflug- und Nutzungsrechte bereits Thema des Telefonats, das Schröder am 8. November mit US-Präsident George Bush führte.

Dieses Telefonat war der erste direkte Kontakt zwischen den beiden Politikern seit den Verstimmungen über die Antikriegsposition, die die Regierung Schröder Anfang August zu Beginn der heißen Phase des Wahlkampfs bezogen hatte. Nach damaliger Auskunft des Weißen Hauses dauerte das Telefonat zehn Minuten. Beide Politiker hätten „zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre vertrauensvolle Zusammenarbeit im Antiterrorkrieg fortführen“ wollten. In Berliner Regierungskreisen war ebenfalls von einem „konstruktiven und vertrauensvollen“ Gespräch die Rede, bei dem das Eis in den Beziehungen gebrochen worden“ sei. Schröder habe Bush zum Sieg der Republikaner bei den Kongresswahlen gratuliert. Es sei „auch über den Irak gesprochen worden“. Laut der Mitschrift des Telefonats, deren Existenz und Inhalt der taz von US-amerikanischen und von deutschen Quellen bestätigt wird, war die Irakpassage des Gesprächs sehr viel konkreter.

Bush erklärte Schröder, die USA benötigten für einen Krieg gegen Irak die Überflug- und Nutzungsrechte in Deutschland. Als der Kanzler Bedenken anmeldete, erinnerte der US-Präsident ihn „an die großen Verdienste“ seines Vaters bei der Vereinigung Deutschlands nach dem Fall der Berliner Mauer. Damals, so Bush weiter, habe Schröders Vorgänger Helmut Kohl seinem Vater „fest zugesagt“, dass die bis zur Vereinigung existierenden Rechte der US-Streitkräfte in Deutschland und ihre Bewegungsfreiheit unangetastet bleiben sollten.

Schröder widersprach nicht mehr und wies auch nicht auf den Unterschied eines Kriegs gegen Irak mit oder ohne UNO-Mandat hin. Nach Darstellung US-amerikanischer Regierungsvertreter wurde dies von der Bush-Administration seinerzeit als „grünes Licht“ der Bundesregierung gewertet.

Schröder erklärt in dem Stern-Interview, die Frage der Gewährung der Überflug- und Nutzungsrechte sei „eine politische Entscheidung“. Es gehe „hier nicht um Juristerei“. Damit bestätigte der Kanzler indirekt erneut, dass die in den letzten Monaten unter anderem von Verteidigungsminister Peter Struck sowie vom innenpoltischen Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, öffentlich aufgestellte Behauptung, die Bundesregierung habe aufgrund rechtlicher Verpflichtungen überhaupt keine Möglichkeit, den USA die Überflug- und Nutzungsrechte zu verweigern, nicht haltbar ist. Zu dieser Einschätzung gelangte inzwischen auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestags in einem Gutachten.