Kein Krieg fürs Image

What we are filming for: Auf der Berlinale solidarisieren sich vor allem umjubelte Stars aus Hollywood mit der europäischen Antikriegsbewegung

Immerhin gibt wenigstens Bush einiges auf die Lehren des Kinos

von HARALD FRICKE

Sie kommen in Frieden. Dustin Hoffman, Richard Gere, Christopher Lee, George Clooney, selbst Roger Moore, der alte Bond. Während man sich vor drei Wochen in den Medien noch Sorgen machte, ob die Stars aus Hollywood angesichts der von der US-Regierung angestrebten Irak-Offensive überhaupt zur Berlinale reisen würden, sind sie jetzt da und schwenken weithin sichtbar ihre Flaggen gegen den Krieg. „Ich bin nicht antiamerikanisch, aber ich bin gegen die Ansichten der amtierenden Regierung“, sagte Dustin Hoffman am Montagabend bei seiner Rede auf der Unicef-Gala „Cinema for Peace“. Denn durch Bush fühlt er sich an die 60er-Jahre erinnert, als der Krieg in Vietnam „mit einer Lüge begonnen hat“. Christopher Lee, seit seinen Dracula-Rollen meist für die Darstellung des Bösen gebucht, entzündete eine Flamme des Friedens; später wurde ein Schwert aus „Gladiator“ für 11.000 Euro versteigert, der Erlös geht an das Unicef-Projekt „Kinder in Kriegsgebieten“. Die symbolische Ladung scheint das diesjährige Berlinale-Motto voll zu bestätigen: „Towards Tolerance“ soll plötzlich keine Frage der filmischen Inszenierung sein, sondern eine Einstellung zum Leben.

Jedenfalls wenn man den Ausführungen Richard Geres glaubt, der vor einiger Zeit von den Buddhisten gelernt hat, dass es unter einem Kirschbaum keine Fremden gibt, und diese Lehre prompt bei Interviews zum Berlinale-Opener „Chicago“ weitergab. Wenn es nach George Clooney geht, dann möchte er mit seinen Landsleuten wenigstens eine Debatte führen, „bevor wir etwas Falsches tun“. Sean Penn hat bereits im Dezember gehandelt und ein Kinderkrankenhaus in Bagdad besucht, so wollte es „die Stimme des Gewissens“ (dpa) in ihm. Nur Dennis Hopper gibt öffentlich zu, dass er von den Demokraten zu Bush übergewechselt ist, und wird nun beim Talent-Campus der Berlinale ausgebuht.

Wird der Kampf um Gerechtigkeit am Ende doch in die Kultur verlagert? Die Bekundungen und Statements zur Berlinale sind offenbar mehr als bloße PR-Arbeit. Indem sich die Filmprominenz gerade in Berlin gegen den Krieg ausspricht, bestärkt sie damit auch die europäische Skepsis, zumal bei den Gastgebern in Deutschland. Das sind durchaus höfliche, wenn nicht passende Worte auf einem gesicherten Terrain – 69 Prozent der Berliner sind angeblich gegen eine Militäraktion im Irak –, während bei jeder Talkrunde in den USA mit vehementer Gegenrede zu rechnen wäre. Vielleicht ist der Push in Richtung Politik auch ein Versuch, sich nicht ganz der Tagesordnung aus Fotoshootings und Ovationen am roten Teppich zu überlassen – ein bisschen Dissidenz auf halbem Wege zwischen Stimmungswandel und Imagepflege.

Trotzdem ist es seltsam, dass die strikte Ablehnung der Bush-Linie wie ein Gesinnungs-UFO made in Hollywood auf der Berlinale gelandet ist. Im Wettbewerb ist kein US-Film vertreten, der sich mit der Möglichkeit eines Irakkrieges beschäftigt. Lediglich Spike Lee droht mit „25th Hour“ den rasanten Schulterschluss an, dass die Trümmerhaufen des World Trade Centers biblische Parallelen zum Fall von Babylon haben. Clooney dagegen kann man in einem Remake des Tarkowski-Science-Fiction „Solaris“ sehen, Hoffman spielt in „Moonlight Mile“ einen Immobilienmakler, der dem Mörder seiner Tochter den elektrischen Stuhl wünscht, und Richard Gere darf in „Chicago“ steppen. Mit einem Mehr an Gestaltung von Wirklichkeit hat das nicht viel zu tun, auch wenn man allen das Engagement und den zivilen Eigensinn jenseits der Leinwand gerne glauben möchte.

In den USA sind solche Bekenntnisse ohnehin kein Thema. Kein Wort vom Frieden bei der Verleihung der Golden Globes, und auch für die Oscars ist ein Eklat nicht in Sicht – schließlich ist dieses Jahr kein Kriegsfilm unter den nominierten Beiträgen. Aber selbst als vor einem Monat auf dem Sundance-Festival die neuen Produktionen des Independent-Kinos vorgestellt wurden, war von Pazifismus kaum die Rede. Jetzt würde der britische Filmemacher Richard Kwietnowski, dessen „Owning Mahowny“ dort gezeigt wurde, seine Premiere in Amerika am liebsten vergessen machen, so sehr ist er über den Kriegskurs von Blair und Bush verärgert. Zum Glück kann er das in Berlin sagen, wo der Film nun im „Panorama“ läuft. Es bleibt nur die Frage, ob seine Meinung von hier aus ihre Adressaten in London und Washington erreicht. Immerhin gibt wenigstens Bush einiges auf die Lehren des Kinos. Dienstag erst hat er als Mahnung an die UN-Mitglieder erklärt, wie er sich den weiteren Fortgang in der Auseinandersetzung mit Saddam Hussein vorstellt: „Ich bin sicher, unsere Freunde haben aus der Vergangenheit gelernt. Es wirkt wie die Wiederholung eines schlechten Films. Ich möchte den Film nicht sehen.“ Daran würde nicht einmal eine Neubesetzung mit Robert De Niro als Saddam etwas ändern.