Hysterie ohne Plan

„Party Monster“ von Fenton Bailey und Randy Barbato im Panorama über die moralfreie Schönheit des Nachtlebens

Die Moderne hatte sich vollendet, als leer stehende Kirchen, Fabriken und U-Bahn-Tunnels in Clubs verwandelt wurden. Längst waren alte durch neue Werte ersetzt: Demut durch Berühmtheit, Genügsamkeit durch Reichtum, soziale Statik durch rasenden Aufstieg. Irgendwann in den Achtzigern wurde ein neues Kapitel im Buche Fame geschrieben. Ein Junge kommt in die Stadt, um am Spaß- und Machtkuchen zu naschen. Er bedrängt die richtigen Leute, schaut sich alles ab und überflügelt die Vorbilder schnell und schneller.

Michael Alig ist eine historisch verbürgte Figur. Seine Kostüme waren legendär und sind noch immer im Internet zu bewundern. Im Stil von Leigh Bowery verwandelte er sich in ein Wunschbild oder einen Albtraum. Im New York der späten Achtziger hatte er sich als Veranstalter schillernder Clubevents bereits unentbehrlich gemacht. Die Transportmittel, mit denen sich sein Ego durch Höhen und Tiefen schleuderte, hießen Ketamin, Kokain und Heroin. Aligs Abende folgten einer Überbietungslogik, die einen fatalen Abschluss fanden. Alig war verwickelt in den Mord an seinem Dealer: Mit Abflussreiniger voll gepumpt, ließ man den Erschlagenen tagelang verrotten, bevor man ihn zerstückelt in den Hudson River warf.

Aus dieser denkbar runden Geschichte von Aufstieg, Übertreibung und Fall wird in Fenton Baileys und Randy Barbatos Film (nach James St. James „Disco Bloodbath“) eine Revue der aneinander gereihten Posten. „Party Monster“ stellt sich, was ehrenwert ist, auf eine Stufe mit den spezifischen Schönheiten des Nachtlebens, löst, was monoton wird, diesen Wunsch in eine Folge von Bissigkeiten, Zickigkeiten und fiesen Biestigkeiten auf. Die Dialoge schnappen nur so hin und her, trotzdem wirken die meisten Szenen wie die Spieleinlagen gewisser Dokumentarfilme. „Party Monster“ ist eine Filmbiografie fast ohne Struktur, Aufgekratztheit ohne Dramaturgie und eine moralische Geschichte ohne Moral.

Dabei fehlt es nicht an Höhepunkten und Subtilitäten. Kaum jemand scheint besser geeignet, das spoiled kid zu spielen, als Macauley Culkin. Auch sonst wurden die passenden Besetzungsknöpfe gedrückt: Chloe Sevigny, Amanda Lepore und ihr bis hinter beide Ohren gezogenes Fell, und vor allem Marilyn Manson, der als Transe wie ein irrer Kreisel großartig durch das erste Drittel schwankt.

MANFRED HERMES

Heute, 23 Uhr, International