Luxus-Kutscher zur Teppichvorfahrt

Er hat sie auf der Rückbank: Peter Radszuhn chauffiert die Stars der Berlinale in seiner Limousine – Massage inklusive

„Brauchen Sie eine Massage?“, hätte Peter Radszuhn Nicole Kidman fragen können, nachdem sie in seinen VW Phaeton gestiegen ist. Es wäre nicht einmal ein unmoralisches Angebot gewesen. Es ist einfach so: Die neue Luxuslimousine, die Volkswagen dem Fahrdienst des Festivals gleich in vierunddreißigfacher Ausführung überlassen hat, verfügt über Sitze, die auf Knopfdruck sanft die Wirbelsäule massieren.

Peter Radszuhn ist Berlinale-Chauffeur. Er mag seinen Job. Voriges Jahr hat er während der Filmfestspiele das erste Mal Promis vom Hotel zum roten Teppich gekarrt. Damals hieß der Sponsor noch Mercedes. Mehr aus Jux hatte er sich beworben, einen Personenbeförderungsschein hat er noch aus seiner Zeit als Busfahrer der Berlin Transport, einer BVG-Tochter mit Billiglöhnen.

Der Phaeton ist natürlich ein ganz anderes Kaliber als ein Linienbus. Obwohl: als Radszuhn mich eine halbe Stunde um den Potsdamer Platz kutschiert hat, ist der Unterschied beim Benzinverbrauch gar nicht so gravierend. Das Display, auf dem man praktischerweise auch das Fernsehprogramm empfangen kann, gibt einen durchschnittlichen Verbrauch von 19 Litern Super an. Zugegeben, so ein Doppeldecker der BVG verbraucht an schlechten Tagen fünfmal so viel. Und außerdem massiert er natürlich nicht so perfekt.

Diskretion ist erste Pflicht des Berlinale-Chauffeurs. Schließlich bekommt der Fahrer alles mit, was auf der Rückbank geredet wird, und das darf er uns nicht verraten. „Solaris, so ein öder Film, und der Hintern vom Clooney war auch mal knackiger …“ – Lästern Hollywood-Stars über Kollegen, wenn man ihnen die Intervall-Sitzheizung auf Stufe 3 stellt?

Von Herrn Radszuhn werden wir es nicht erfahren: „Loriot hab ich gefahren, ich glaube, das darf ich erzählen, und Steven Soderbergh. Da sind wir mit sieben Limousinen in Kolonne gefahren.“ Ein eigenes Fachvokabular hat Radszuhns Branche übrigens auch. Wenn die Stars abends direkt vor den Berlinale-Palast gebracht werden, ist das im Fahrerjargon zum Beispiel schlicht eine „Teppichvorfahrt“.

Geboren wurde der Teilzeitchauffeur in Oberhausen. Dort hat er eine Ausbildung zum Tankwart gemacht. Er zapfte und putzte Windschutzscheiben an einer Elf-Station, ganz die alte Schule, bis er 1984 nach Berlin ging. Hier hatte die Selbstbedienungsrevolution schon so gut wie alle Tankstellen erreicht, also wurde der bekennende Peter-Maffay-Fan Versorger im OP eines Krankenhauses. Dann fragte ihn ein Verwandter, ob er nicht einen Copy-Shop im Märkischen Viertel aufmachen wolle. Dort arbeitete er sechs Jahre lang, dann folgte die Busfahrerei.

Multitalent Radszuhn aber hatte bald wieder ein neue Idee. Seit seinem 15. Lebensjahr ist er Computerfreak. Jetzt hat er seine eigene Firma, ist Netzwerk-Administrator und designt Internetauftritte. Als wir gegenüber vom Hyatt-Hotel halten und den TV-Empfang des Phaeton testen, parkt vor uns ein Kollege, der den Chauffeur für Sat.1 macht. Ob wir einen Phaeton-Mechaniker wüssten, eben sei sein Nummernschild abgefallen? – Kurze Zeit später fährt noch ein Phaeton ohne Kennzeichen vorbei.

Wolfsburg, wir haben ein Problem! Herrn Radszuhn ist das richtig peinlich. Aber er muss jetzt schnell zu einer Teppichvorfahrt. Spike Lee wartet nicht gern. ANDREAS BECKER