zwischen den rillen
: Lob des Indie-Songwritertums: The Go-Betweens

Proust für den Mittagsschlaf

In der Literaturredaktion der FAZ soll es die Sitte geben, Bücher zur Besprechung strikt entgegen privater Neigungen und Vorlieben an die Rezensenten zu verteilen. Wenn man die fast schon hysterische Fan-Elogen zum Erscheinen von „Bright Yellow Bright Orange“, dem neuen Album der The Go-Betweens, liest, gewinnt man den Eindruck, dass das vielleicht auch mal eine gute Idee für den Musikjournalismus wäre.

Einhellig ist da von einem „Meisterwerk“ die Rede. Robert Forster und Grant McLennan seien demnach natürlich „geniale“ bis „große“ Songwriter von einer „radikalen, unzensierten, Alter und Geschlecht außer Acht lassenden Authentizität“ (SZ), und was ist eigentlich mit Proust, will der Rolling Stone wissen? „Ich glaube, das ist ein Schriftsteller, dessen Werk den Go-Betweens irgendwie nahe steht, sehr nahe sogar.“

Das alles wäre indes nicht weiter erwähnenswert, wenn man nicht annehmen müsste, dass diese ganze hysterische Hybris angesichts des eigenen Musikgeschmacks nicht auch auf deren Urheber Forster und McLennan abgefärbt haben dürfte, soweit sich das anhand von Interviews und schwer gestellten Fotos sagen lässt (gut, dass man die nie live hat herumtanzen sehen, man stellt es sich wie Harald Schmidt mit Zerlett vor).

Die beiden lernten sich 1978 an der Uni im australischen Queensland kennen. Man teilte die gleichen Studentenvorlieben für Filme und die US-Punk-Szene und beschloss to do The Factory in Brisbane (McLennan). Kurze Zeit später veröffentlichten sie ihr Debüt bei einer Plattenfirma, die umgehend pleite machte, während The Go-Betweens einfach die Labels wechselten und weitermachten. Sie wurden bald zu einem Geheimtipp mit hohem Identifikationspotenzial und fanden eine stetig wachsende Fangemeinde vor allem in den studentischen Independent-Szenen weltweit. 1988 gelang ihnen mit „Streets of Your Town“ sogar ein richtiger Radiohit, dem das branchenübliche Soloprojekte-Trennung-Reunion-Prozedere folgte. Vor zwei Jahren dann das große Comeback, „The Friends of Rachel Worth“, auf dem es um Themen wie Surfmagazine, Verlaine statt Cobain und das Leben in deutschen Bauernhäusern ging (Forster hatte eine Deutsche geheiratet und eine Zeit lang bei Nürnberg gelebt).

So weit also die Geschichte, wie man sie sich an den Lagerfeuern unter den Gleichgesinnten der Popkritik erzählt, an deren vorläufigem Ende jetzt ein Album steht, auf das Nicht-Go-Betweens-Fans schon fast keine Lust mehr hatten. Zu sehr ging es da mit dem eigenen Geschmack immer auch schon um das eigene Leben, aus dem man sich als Außenstehender dann lieber raushalten möchte, bevor es zu intim wird.

Bei so viel Bohei im Vorfeld ist man dann allerdings fast erschrocken, wie unspektakulär das neue Werk der Go-Betweens tatsächlich daherkommt. „Bright Yellow Bright Orange“, das sind ganz einfach noch mal zehn nette kleine Lieder, die von den Go-Betweens gewohnten sonnig-versponnenen Gitarrenmelodien, stets leicht melancholisch und so naiv wie das grüne Regenschirmbildchen auf dem CD-Cover. Im Vordergrund steht jener leicht nasale, ebenso spröde wie sanfte Gesang von Forster und McLennan, der mich an meinen alten Freund Jahni aus Kiel erinnert, der ungefähr genauso klang und warum ist aus dem eigentlich nie was geworden, ich meine: außer Lehrer.

Die Songs beginnen ab und zu ganz originell mit einem frech hingezupften „La Bamba“-Zitat, um dann zum Beispiel von Caroline von Monaco zu handeln, mit der sich Robert Forster – „born in the very same year“ – etwas ratlos vergleicht: „Du gabst mir etwas Kleines, das ich fühlen konnte“. Oder von der Revolution, die einen nie gerufen hat, und dass man nicht wie ein Kind auf die Straße rausrennen soll. In „Too Much of One Thing“ besingt Forster seinen Kollegen McLennan, der irgendwann mit einstimmt: „I have known a hundred women / And part of me loves to fail“. Und viel mehr gibt es da vermutlich auch nicht zu wissen.

Die Welt der Go-Betweens kennt – von den Pressehymnen auf sie einmal abgesehen – keine großen Aufregungen. In der Ferne steht eine Brücke, und über die fährt dann ein Zug rüber. Es passiert nicht viel, aber Trost und Wärme lassen sich mit ein bisschen Minimalpoesie auch noch in der kleinsten Hütte finden. Mit „Bright Yellow Bright Orange“ ist den Go-Betweens um Gottes Willen kein Meisterwerk, dafür aber ein Album gelungen, das man gut im Hintergrund weghören kann, beim Mittagsschlaf oder auf Partys zum neununddreißigsten Geburtstag: radikale Authentizität, Alter und Geschlecht außer Acht lassend, wie Proust oder so.

ANDREAS MERKEL

The Go-Betweens: „Bright yellow bright orange“ (Clearspot/EFA)