Chefredakteur im Tank

Die Leitung der „Financial Times Deutschland“ rüstet zum Krieg im Irak, will Schröders Rücktritt – und fährt mit halbmilitärischem Gerät durch Bayern: Denn Geländewagen machen Bankkaufleute zu echten Abenteurern

von STEFFEN GRIMBERG

„So wie die Deutschen einst den totalen Krieg wollten, wollen sie jetzt den totalen Frieden“ – die Financial Times Deutschland rüstet auf, verbal zumindest. Allen voran ihr Chefredakteur Wolfgang Münchau, aus dessen diensttäglicher Politikkolumne „Amoklauf eines Bundeskanzlers“ das Zitat stammt.

Am gleichen Tag beschloss die FTD, dem ein Ende zu setzen: dem Bundeskanzler, wohl gemerkt. Heute fordert sie in einem Leitartikel den Rücktritt von Gerhard Schröder. In solchen, namentlich nicht gezeichneten „Leitern“, soll sich die Haltung des gesamten Blattes ausdrücken. An die „lieben Kollegen“ erging daher am Dienstag die Rundmail, man wolle „für Freitag einen großen Leiter mit einer Rücktrittsaufforderung an den Bundeskanzler schreiben. Wie […] in der Team- und Ressortleiterrunde besprochen, wird dazu auch eine gesonderte Leiter-Diskussion stattfinden, Termin: Mittwoch 15.00 Uhr.“

Offene Diskussionen, deren Ergebnis schon vorher feststeht, sind nun bei der FTD nicht ganz unbekannt: Zwar wurde typisch britische Pluralität dem deutschen Schwestertitel der Financial Times bei seiner Gründung 2000 ins Stammbuch geschrieben. Doch mittlerweile ist das Blatt schon wieder sehr deutsch. Bereits die – ebenfalls aus Britannien importierte – Wahlempfehlung der FTD für Edmund Stoiber zur Bundestagswahl 2002 drückten Münchau und sein Chefredaktionskollege Christoph Keese gegen die Redaktionsmehrheit durch. Drei leitende Politikredakteure legten damals mit einem Plädoyer für Rot-Grün nach.

Derzeit spaltet vor allem die Haltung zum Irakkonflikt das Blatt: Chefredakteur Münchau fährt seit Wochen einen klaren Kriegskurs, „Saddam wird von Schröders neuer Irakstrategie profitieren“, heißt es in den Leitartikeln (10. 2.), „Deutschland stürzt Nato in die Krise“ auf der Seite 1 (11. 2.). Für mehrere Mitarbeiter war die ihnen vorgeworfene latent antiamerikanische bzw. zu friedliebende Haltung in Sachen Irak ein Grund für personelle Konsequenzen. Unter dem britischen FTD-Gründungschefredakteur Andrew Gowers, heißt es in der Redaktion, wäre dies kaum möglich gewesen. Ein Indiz: Die „echte“ FT in London hat keine so prokriegerische Haltung, ihr Chef: Andrew Gowers.

Die FTD dagegen brachte es fertig, in ihrer letzten Wochenendbeilage ein martialisches „Dossier Geländewagen“ zu platzieren. „Fernsehstars: Die Geländewagen der UN-Inspektoren im Irak“ lautete ein Beitrag, „Ausflug mit dem Monster“ über das nicht nur straßenkriegstaugliche Ungetüm „Hummer“ war ein anderer überschrieben: „Es gibt Fahrzeuge, die das Selbstwertgesfühl steigern“, schreibt da – Wolfgang Münchau: „Ich selbst bin Fahrer eines Jeep Grand Cherokee“, und „so ein Geländewagen kann einen Bankkaufmann zum Abenteurer machen. Doch ein Hummer macht einen Menschen zu Gott.“ Die „Zivilausführung“ des in den 80er-Jahren vom US-Militär in Auftrag gegebene Vehikel (siehe Abbildung), immer noch eine „motorisierte Mobilmachung“ (Münchau), hat der FTD-Chef auf Bayerns Straßen getestet: „Sie haben es tatsächlich gewagt. Sie haben tatsächlich ihre rot-weiße Kelle aus ihrem grün-weißen Streifenwagen gehalten und damit heraumgefuchtelt. Sie haben tatsächlich von mir verlangt, dass ich rechts ranfahre. […] Ich überlege noch, den Rückwärtsgang einzulegen und ihre Karosse in den Asphalt zu reiben. Doch dann fällt es mir wieder ein: Es gibt eine Realität außerhalb des Wagens. Ich bin nicht auf einem Feldzug, ich bin in Bayern.“ Münchaus Gesamtbilanz passt dann auch ganz gut zum Gesamteindruck der FTD in diesen Tagen: Der „Hummer“, heißt es da, habe „so gut wie keinen Nutzwert. Es sei denn, man möchte halt in ein mehr oder minder befreundetes Nachbarland … Aber dafür reicht meine Tankfüllung jetzt nicht mehr.“