peters‘ paradies
: Essen mit Nicole Kidman, tanzen mit George Clooney

Sind die Bären egal?

So, das war’s. Die 53. Filmfestspiele sind fast vorbei, und man kann sagen, dass auch diese Berlinale wieder die wunderbarste und gelungenste war, die man jemals sah. Gewiss, es gab wie jedes Jahr viel zu meckern, aber das muss notwendigerweise so sein. Denn ein Filmfestival von Rang und Ansehen braucht eine Mindestanzahl von Filmen, die das Niveau derart senken, dass andere Filme umso dankbarer als Sensation aufgenommen werden. Das ist eine ungeschriebene Regel im Buch aller Festivals, auf dessen Weisheiten man von Cannes bis Sundance vertraut.

Eine andere Regel lautet: Mit Neuerungen soll man geizen. Denn Neuerungen produzieren Erwartungshaltungen, die sich mit der Zeit zu Problemen entwickeln, da man ein Festival irgendwann an der produzierten Erwartungshaltung misst. Eine Neuerung gab es trotz dieser Regel dann doch: Mit „Chicago“ und „Ja Zuster, Nee Zuster“ waren zwei Musicals im Wettbewerb vertreten. Nachdem man im vergangenen Jahr bereits einen Animationsfilm mit Wettbewerbstauglichkeit adelte, darf man gespannt sein, was die Berlinale 2004 den Filmfreunden bringen wir. Einen Tierfilm vielleicht? Das Programm 2005 steht jedenfalls insofern bereits zu gewissen Teilen fest, da Claude Chabrol, Michael Winterbottom, Spike Lee und Patrice Chereau laut einer statistischen Erhebung im Schnitt alle zwei Jahre zwingend zur Teilnahme verpflichtet werden.

Gut war die Anwesenheit so vieler Stars. Richard Gere, als singender Winkeladvokat in „Chicago“ zu bestaunen, ging es in seinem Leben als Schauspieler nach eigener Auskunft niemals so gut, wie auf dem roten Teppich von Berlin, wo ihn die Wellen der Begeisterung tosend umbrausten. Auch George Clooney ging es sehr, sehr gut, weshalb er zum Zeichen seines Gutgehens sich zum Tanz ins 90 Grad begab. Nicole Kidman hatte hingegen einfach nur Hunger und speiste im PanAsia. Nicolas Cage hatte keine Hunger, war aber hellwach und ging erst am Morgen ins Bett. Kristin Scott Thomas war verschnupft und Dustin Hoffman gegen den Krieg.

Eigentlich waren sowieso alle gegen den Krieg, mussten aber, um nicht als Antiamerikaner zu gelten, betonen, nicht als Antiamerikaner gelten zu wollen. Gerade bei einem Festival, dass sich den Werten der Toleranz verschrieben hat, war es geboten, auf die Feinheiten zu achten.

Was neben solcher Feinheiten noch von Interesse schien, war die B-Frage: Wer wird die goldenen und silbernen Dinger erhalten? Wer sollte die goldenen und silbernen Dinger eigentlich fairerweise erhalten? Und vor allem: Warum? Die Fragen sind nur scher zu beantworten, doch schon jetzt kann man sagen: Welche Entscheidung die Jury unter Vorsitz von Atom Egoyan auch trifft, es wird die richtige sein. Die Frage, wer die goldenen und silbernen Dinger nach den Regeln der Filmkunst verdient, ist im Grunde unerheblich, da es nicht um einzelne Filme geht, sondern um das Festival als solches.

Das Festival ist der Star, dabeisein ist alles. Es geht um den Flair, die besondere Stimmung, die die Gassen rund um den Berlinale Palast so unvergleichlich belebt. Es geht um das ewige Schlangestehen, das misanthrope Cineasten, enthusiasmierte Filmfreunde und hysterisierte Fans unterschiedlos einander menschlich nahe bringt. Das war die Berlinale 2003, auch dieses Jahr ein Publikumsfestival. HARALD PETERS