Bush wird einsam

aus Genf ANDREAS ZUMACH

Die Regierungen der USA und Großbritanniens hat das Ausmaß der weltweiten Proteste gegen einen Irakkrieg überrascht. Aus diesem Grund, aber auch wegen ihrer zunehmenden Isolation im UNO-Sicherheitsrat haben sie ihre Pläne für eine neue Irakresolution korrigiert. Das bestätigten Diplomaten beider Länder am Wochenende.

Ursprünglich hatten Washington und London spätestens morgen im Sicherheitsrat den Entwurf für eine neue Resolution mit einer Autorisierung militärischer Maßnahmen gegen Bagdad einbringen wollen. Jetzt soll entweder nur ein deutlich abgemilderter Entwurf vorgelegt oder aber die Einbringung verschoben werden. Bei einem – aus ihrer Sicht – günstigen Verlauf der Sicherheitsratssitzung vom letzten Freitag wäre der Resolutionsentwurf sogar noch zum Abschluss der Sitzung eingebracht worden. Eine solche Option hatten US- und britische Diplomaten noch bis kurz vor Sitzungsbeginn am Morgen ausdrücklich als „möglich“ bezeichnet.

Die Sitzung brachte jedoch einen empfindlichen Rückschlag für US-Außenminister Colin Powell und seinen britischen Amtskollegen Jack Straw. Zunächst enthielten die Berichte der Chefinspekteure Hans Blix und Mohammed al-Baradei deutlich weniger Kritik an Bagdad, als Washington und London gehofft hatten. Blix wies sogar ausdrücklich mehrere der Behauptungen zurück, die Powell bei seinem Auftritt vor dem Sicherheitsrat am 5. September aufgestellt hatte.

Russlands Außenminister Sergei Iwanow präsentierte dem Sicherheitsrat ein Papier, in dem sämtliche damaligen Aussagen Powells Punkt für Punkt als „falsch“ zurückgewiesen wurden. Iwanow und zuvor noch stärker Frankreichs Außenminiser Dominique de Villepin erhielten Szenenapplaus von Mitgliedern des Sicherheitsrates sowie von den Zuhörerrängen, auf denen Diplomaten zahlreicher Mitgliedsstaaten der Generalversammlung Platz genommen hatten. Ein höchst ungewöhnlicher Vorgang in der 58-jährigen Geschichte des Sicherheitsrates, dessen Geschäftsordnung derartige Beifallsbekundungen ausdrücklich untersagt.

Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde deutlich, dass die Zustimmung der nichtständigen Ratsmitglieder Spanien, Bulgarien, Angola, Kamerun und Guinea für die britisch-amerikanische Linie nicht oder zumindest nicht in dem behaupteten Ausmaß existiert. Der Unterstützung durch die sechs Staaten waren sich Vertreter der Bush-Administration noch bis zum Auftauchen der französischen Initiative für eine Verstärkung des Inspektionsregimes Anfang letzter Woche sicher gewesen.

Lediglich die spanische Außenministerin stellte sich nach der Sitzung voll auf die Seite Washingtons und Londons. Die Botschafter der drei afrikanischen Länder legten sich in ihren Reden ausdrücklich nicht fest. Chile begrüßte ausdrücklich die französische Initiative.

Im nichtöffentlichen Teil der Sitzung traten in einem Punkt Differenzen zwischen Washington und London klar zu Tage. Als Frankreich den Vorschlag machte, über den bereits vereinbarten Termin für einen dritten Bericht der beiden Chefinspekteure am 28. Februar auch noch den 14. März für einen vierten Bericht festzulegen, wandten sich lediglich Powell und seine spanische Amtskollegin dagegen. Der britische Außenminister Straw machte hingegen deutlich, dass auch seine Regierung den Inspekteuren noch ein paar Wochen mehr Zeit geben will als die Bush-Administration.

London rechnet damit, dass die Inspekteure Bagdad auch in einem vierten Bericht nicht die vollständige Erfüllung sämtlicher Auflagen aus der Resolution 1441 vom November letzten Jahres bescheinigen werden. Dann aber, so das Kalkül Londons, dürften auch Frankreich, Russland, China sowie Deutschland bereit sein, ein militärisches Vorgehen gegen Irak zumindest durch eine indirekte Billigung zu tolerieren.

Der Weg dahin ist nach Vorstellung der Regierung Blair eine Ultimatumsresolution an Bagdad, die den 15. März als letzte Frist setzt für die Erfüllung aller Auflagen. Danach soll den dazu willigen Staaten freie Hand für einen Krieg gegen Irak gegeben werden. Blair braucht eine zweite UNO-Resolution aus innenpolitischen Gründen viel dringender als Bush. Die große Demonstration in London und der gleichzeitig stattfindende Labour-Parteitag in Glasgow haben noch einmal deutlich gemacht, wie stark der Widerstand gegen Blairs Kriegskurs ist. Eine Beteiligung Großbritanniens an einem unilateralen Krieg der USA ohne zweite UNO-Resolution wäre „das Ende der Regierung Blair“, beschrieb ein britischer Diplomat am Wochenende die Lage in seinem Land.