Eine neue Cognac-Ranch

Der Senat hat den Etat der Zentralambulanz für Betrunkene gekürzt. Nun soll die Feuerwehr die Einrichtung übernehmen. Am 1. April soll es losgehen. Doch wo und wie, ist noch offen. Fest steht nur: Es sollen keine Ärzte mehr in der ZAB arbeiten

„Ich halte es für verantwortungslos, dass in der ZAB kein Arzt dabei sein soll“

von LENA GORELIK

Die meisten Besucher der Brennerstraße 8 kommen unfreiwillig, sie lallen, torkeln, schlagen um sich, oft werden sie auf Liegen angeschnallt von Polizisten oder Feuerwehrmännern he-reingetragen. In der so genannten „Cognac-Ranch“ auf dem Krankenhausgelände in St. Georg werden schwer betrunkene Menschen ausgenüchtert. Nachdem der Senat den Etat der Zentralambulanz für Betrunkene (ZAB) im vorigen Jahr drastisch gekürzt hatte, sah es zunächst so aus, als ob die deutschlandweit einzigartige Einrichtung geschlossen werden würde. Nun ist sie gerettet: Die Feuerwehr übernimmt die ZAB. Doch es ist eine Rettung mit Nebenwirkungen.

Vor zwei Jahren hat die Gesundheitsbehörde noch 610.000 Euro für die Betreuung von etwa 2500 Betrunkenen ausgegeben. Nun will sie die Zuständigkeit an Innenbehörde und Feuerwehr abgeben. Schon ab dem 1. April soll die Feuerwehr Betreiberin der Zentralambulanz sein. Doch die weiß noch nichts Genaues über ihre neue Aufgabe. Und Marc März, Referent von Innensenator Ronald Schill, sagt nur: „Ein Konzept ist noch nicht vorhanden und wird zeitnah erstellt.“

Die Feuerwehr soll die Einrichtung mit Rettungssanitätern betreiben, die für den Dienst bei Bränden nicht mehr einsatzfähig sind – weil sie traumatisiert oder zu alt sind. Diese Übernahme, so die Gesundheitsbehörde, soll Geld sparen, und, so die Innenbehörde, die Effizienz steigern. Wie? März verweist auf das Konzept, das es bald geben soll.

Klar ist bis jetzt nur, dass der Standort der „Cognac-Ranch“ verlegt werden soll, unklar ist, wohin. Ausnüchterungszellen sollen eventuell in Containern untergebracht, die Öffnungszeiten verkürzt werden. Was mit dem Personal der ZAB – sieben Pflegekräfte – passiert, weiß bislang auch noch niemand. Außerdem wird es vor Ort keinen Arzt mehr geben. Bis dato waren in jeder Schicht zwei Pflegekräfte und ein Arzt zugegen. Nun müssen Betrunkene erst einmal ins Krankenhaus gefahren werden, weil nur ein Arzt die „Verwahrfähigkeit“ eines Betrunkenen bescheinigen darf. „Ein Arzt in der ZAB bedeutet, dass man sowohl Geld als auch Zeit spart“, kritisiert Jürgen Lamp, Geschäftsführer der Gewerkschaft der Polizei, die Pläne.

Zweifelhaft ist auch der Einsatz von Rettungssanitätern zur Ausnüchterung. Michael Fleck, Geschäftsführer von Medicent, einem Ausbilder von Rettungssanitätern: „Sie sind nicht für solche Jobs ausgebildet. Ich halte es für verantwortungslos, dass in der ZAB künftig kein Arzt dabei sein soll.“ Auch der Gedanke, die Ausnüchterungszellen in Containern unterzubringen, ist nicht unproblematisch. In der Brennerstraße haben die Einzelzellen bruchsicheres Glas. Betrunkene sollen schon Porzellanwaschbecken und Duschköpfe samt Kabel aus Wänden herausgerissen haben.

Auch die Feuerwehrmänner selbst scheinen von der neuen Aufgabe wenig begeistert zu sein: Im Internetforum der Hamburger Feuerwehr beschweren sie sich darüber, nichts von der Übernahme der ZAB gewusst zu haben: „Mal ganz davon abgesehen, dass das nur eine höhere Belastung der Staatskasse (Beamte sind teurer als Angestellte) darstellen würde, hat diese Tätigkeit nichts mehr mit den Aufgabenbereichen der Feuerwehr zu tun!“ Ein anderer empört sich: „Was soll die Feuerwehr in der ZAB? Brände löschen???“

Das NDR-Fernsehen zeigt heute um 21.45 Uhr eine Reportage über die ZAB.