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: HELMUT HÖGE über Zielgruppentäuschung

„Alles für die Frau“ – „Alle für den Mann“

Jeder kennt die sich allsonntäglich im Kaffee Burger versammelnde „Reformbühne Heim und Welt“, aber keiner kennt die gleichnamige Wochenzeitschrift aus dem Klambt-Verlag Speyer, der sie den Namen verdankt. Wenn man dieses Yellow-Press-Erzeugnis am Kiosk entdeckt, meint man erst mal, es gehe darin nur um Liebesprobleme von Königshäusern und prominenten TV-Stars: „Königin Margarethe – der öffentliche Kuss ihres Sohnes kränkt sie tief“; „Königin Silvia und Carl Gustaf – Schock im Liebesurlaub“ oder „Jenny Jürgens – Hochzeit!“; „Cristian Wolff – die neue Frau an seiner Seite: Anja Schütte“.

Auch die Leserbriefe legen diesen Verdacht nahe: „Ich hoffe für Prinzessin Stephanie, dass Filiberto der richtige ist … es ist bestimmt nicht leicht für sie, wenn man immer so in der Öffentlichkeit steht“, schreibt z. B. Frau Rechenberg aus Münster.

Finanziert wird Heim und Welt durch Anzeigen für Seniorenmedikamente wie „Bioelectra forte“ (gegen Wadenkrämpfe), „fitty dent“ (für die dritten Zähne), „Energotin“ und „Optovit“ (für mehr Lebensfreude). All das legt den Verdacht nahe, dass es ein typisches Altersheimjournal ist, auch wenn die vielen Koch- und Gartentipps dazu nicht so recht passen.

Tatsächlich ist die Illustrierte Heim und Welt jedoch die führende deutsche Huren- und Zeugen-Jehovas-Zeitschrift: Letztere annoncieren hier ihre „Bekanntschaftswünsche“, wobei sie ihre Sektenzugehörigkeit halbfett an den Anfang stellen: „J. Z., 44 J. mit Sprachfehler, unvollkommen, sucht unvollkommene Schwester!“

Erstere, die Prostituierten, finden in Heim und Welt jede Woche mehrere hundert Anzeigen von Wohnungsbordellen, Laufhäusern (Großpuffs), FKK- und Sauna-Clubs, die „laufend nette neue Kolleginnen“ beziehungsweise „Terminmädchen“ suchen. Die Betreiber versprechen „super Arbeitsklima, faire Konditionen“ sowie „ein tolles Team“: „Bei mir haben auch mollige Frauen super Verdienstmöglichkeiten, Ausländerinnen sind willkommen, und Mädchen tage- oder nur stundenweise“, annonciert z. B. der vierstöckige Stuttgarter „FFK-Club Phönix“, dessen Chef im Übrigen eine Frau ist.

Es gibt nicht nur eine Migrationsprostitution weltweit, sondern auch einen zunehmenden Hurennomadismus in Deutschland selbst: Permanent studieren die Mädchen, während sie in irgendeinem Puff bei schlechter Beleuchtung auf Freier warten, diese Anzeigen. Bei den ihnen interessant dünkenden rufen sie sogleich an und machen einen Termin aus. Viele Clubs bieten gleichzeitig auch Wohnmöglichkeiten („Einzelzimmer mit TV“).

Die Freier wollen immer wieder neue Mädchen sehen, deswegen begrüßen die Betreiber diese anschwellende Nuttenkarawane von einem Puff zum anderen. Außerdem wirkt es ihrer arbeitnehmerlichen Vereinigung entgegen, sodass sie leichter „zu handeln“ sind.

Ganz anders als das hoch züchtige Frauenjournal Heim und Welt ist die billige Männersexpostille Praline: In keiner Illustrierten gibt es mehr Fotos von nackten Mädchen, oft zusammen mit einem nackten Mann (ihrem „Partner“) – etwa drei Akte auf jeder Seite.

Und die Leser stellen dann auch die entsprechenden Fragen: „Wie sage ich meiner Freundin, dass ich Analsex haben will?“ Oder: „Hat man mit einem beschnittenen Penis besseren Sex?“

Das Anzeigengeschäft besteht fast zur Gänze aus Telefonsex-Abzockerfirmen. Dies darf verwundern, denn die Praline ist die deutsche Obdachlosenzeitung schlechthin. In einigen Suppenküchen gibt es sogar Tauschbörsen. Wobei die „Pralinepenner“, wie die Dauerblätterer auch genannt werden, sich nicht an den nackten Mädchen aufgeilen, sie also nicht direkt „angehen“, sondern stattdessen versuchen, sich mit den nackten Männern zu identifizieren, die ihrerseits von den Mädchen (auf)„genommen“ werden. Deswegen wimmelt es in der Praline auch von „intimen Geständnissen“ wie: „Ich vernasche euch alle!“