BUSH MISSINTERPRETIERT DIE BEFINDLICHKEITEN DER ARABISCHEN WELT
: Krieg bringt Palästina keinen Frieden

George W. Bush glaubt, ein Krieg gegen den Irak könnte zur Demokratisierung des Nahen Ostens beitragen. Selbst eine demokratische Führung in Palästina wäre in seinen Augen nach einem Irakkrieg wahrscheinlicher, weil dann die Terrorunterstützungsgelder aus Bagdad ausblieben. Ein Nahostkrieg also als Fanal für alle freiheitsliebenden Araber? Das ist naiv. Bushs Problem ist, dass er die Befindlichkeiten in der arabischen Welt missinterpretiert. Er setzt stillschweigend voraus, dass sich seine Feindbilder mit denen der progressiven Kräfte der arabischen Welt decken.

Doch die meisten Demokraten im Nahen Osten sind gegen einen Irakkrieg, denn niemand nimmt den USA ab, dass sie wirklich Parlamente und Verfassungen in den Nahen Osten bringen wollen, wie Bush behauptet. Und sie haben gute Gründe für diese Skepsis: In Jordanien beispielsweise unterdrückt König Abdullah die demokratische Opposition und verhindert die überfälligen Wahlen auf Druck der USA, die Angst vor einer islamistischen Parlamentsmehrheit haben. Im Zweifelsfall würden die USA sie deshalb zugunsten der Verlässlichkeit despotischer Regierungen über die Klinge springen lassen, ist der Eindruck der arabischen Demokraten. Auch für die versprengten saudischen Progressiven hat sich der Einfluss der USA im Lande nicht bezahlt gemacht.

Als hohl und kontraproduktiv entpuppt sich das „Palästina-Argument“ des US-Präsidenten. Selbstmordattentäter gab es hier schon, bevor der Irak den Hinterbliebenen Geld zahlte. Und es würde sie auch nach einem Regimewechsel in Bagdad geben. Den Nahostkonflikt aber in dieser Weise auf ein palästinensisches Terror- und Demokratieproblem zu reduzieren und dabei die israelische Besatzung auszusparen, wird in der Region vor allem als weiterer Beweis der Unausgewogenheit der US-Außenpolitik aufgefasst. Dazu kommt, dass die Palästinenser bereits eine der demokratischsten Regierungen des Nahen Ostens haben. Um eine neue zu wählen und den Einfluss des Parlaments zu stärken, brauchen sie vor allem einen israelischen Truppenabzug. Wer in Bagdad regiert, ist nebensächlich.

Theoretisch könnte ein demokratischer Irak tatsächlich eine gewisse Ausstrahlung entfalten. Faktisch aber ist es wahrscheinlicher, dass Islamisten noch während eines Irakkrieges das eine oder andere proamerikanische arabische Regime stürzen – etwa in Jordanien –, als dass Demokraten irgendwo im Nahen Osten nach dem Krieg eine Revolution bewerkstelligen. Und das ist nicht zuletzt eine Folge der fragwürdigen Freund-Feind-Politik der USA in Nahost, mit der Washington die arabischen Demokraten verprellt hat. YASSIN MUSHARBASH