Exklusiv: Was Saddams Schwiegersohn wusste: „Alle Waffen wurden zerstört“

General Hussein Kamal war irakischer Rüstungsminister. Dann floh er nach Jordanien und informierte die UNO über das Ende der irakischen Waffenprogramme. Seine Aussagen wurden nie veröffentlicht

GENF taz ■ Versteckt Irak tatsächlich – wie von den USA und Großbritannien behauptet – Altbestände an verbotenen Massenvernichtungswaffen, Chemikalien und Raketen aus der Zeit vor dem Golfkrieg von 1991? Diese Frage, von der UNO bisher ungeklärt, erhält neues Gewicht durch bislang unveröffentlichte Aussagen von General Hussein Kamal, die der taz vorliegen.

Kamal war der wichtigste Kronzeuge für das irakische Rüstungsprogramm der 80er-Jahre. Seit 1985 Industrieminister und Chef der staatlichen irakischen Rüstungsindustrie, lieferte er nach seiner Flucht im August 1995 zunächst den damaligen Chefinspektoren der Unscom und IAEO, danach auch den Geheimdiensten der USA und Großbritanniens, CIA und MI 6, umfangreiche Informationen über irakische Programme für Massenvernichtungswaffen und ballistische Raketen.

Seitdem wird Kamal vor allem von Washington und London immer wieder als Kronzeuge zitiert – auch für die angeblich fortgesetzte Existenz derartiger Waffen im Irak. Bei seinen Verhören im Sommer 1995, deren Protokolle der taz vollständig vorliegen, hatte Kamal allerdings auch mehrfach erklärt, auf seine Anweisung hin seien bis spätestens 1991 sämtliche Rüstungsprogramme eingestellt und alle existierenden Waffen und Grundstoffe zerstört wurden.

Die Regierung in Bagdad hat inzwischen angekündigt, sie werde, wie von UNO-Chefinspektor Hans Blix verlangt, heute mit der Zerstörung der rund 100 irakischen Kurzstreckenraketen vom Typ al-Samud 2 beginnen. Blix hatte diese Forderung damit begründet, dass die Rakete bei einigen Tests die dem Irak erlaubte Reichweite von 150 Kilometern überschritten hatte. Bagdad hatte gegen die Forderung zunächst eingewandt, zu der Reichweitenüberschreitung sei es nur gekommen, weil die Rakete bei den Tests ohne Sprengkopf und Leitsystem und nur mit einem zu einem Viertel gefüllten Treibstofftank geflogen ist.

Die Bush-Administration tat das Einlenken als belanglos ab. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sprach von einem „rein taktischen Schritt“. Der französische Außenminister Dominique de Villepin nannte die Ankündigung der Raketenzerstörung hingegen eine „wichtige Etappe auf dem Weg zur friedlichen Entwaffnung Iraks“.

Die Entscheidung Bagdads zeige, dass die Inspektionen Ergebnisse brächten. Auch Bundesaußenminister Joschka Fischer erklärte, man sei „bei der Abrüstung Iraks bereits wichtige Schritte weitergekommen“. Er begreife nicht, warum dieser Prozess jetzt – wie von Washington und London verlangt – abgeschlossen werden solle. AZU

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