Kurden fürchten US-Deal mit Ankara

Beim ersten Treffen der gesamten irakischen Opposition im Nordirak werden kaum Fortschritte erzielt. Die Vorstellungenfür einen föderalen Irak treten angesichts der türkischen Pläne zur Besetzung des Nordiraks völlig in den Hintergrund

aus Erbil JÜRGEN GOTTSCHLICH

Der Mann auf dem Podium windet sich. Obwohl es sehr kalt ist in den kurdischen Bergen, wischt er sich den Schweiß von der Stirn. Seit einer halben Stunde versucht Hosyar Zibari, Vertreter der Kurdischen Demokratischen Partei, mehr als 150 Journalisten verzweifelt zu erklären, was nicht zu erklären ist. Warum unterstützen die Kurden im Irak einen US-Krieg gegen Saddam Hussein, wenn die USA zugleich den ungeliebten türkischen Nachbarn freie Hand für eine Besetzung des Nordiraks geben wollen? Der Kurdensprecher hat dieser Tage einen schweren Job.

Dabei sollte es der historische Auftakt zur Befreiung werden. Erstmals trafen sich die Vertreter der gesamten irakischen Opposition nicht in London oder New York, sondern innerhalb des Iraks. Immer wieder verschoben, begann am Mittwoch endlich die Zusammenkunft des im Dezember in London gewählten Exekutivkomitees der irakischen Opposition in Salahaddin. Das Städtchen in den Bergen oberhalb der kurdischen Hauptstadt Erbil ist der Stammsitz der Familie des Gastgebers Massoud Barsani, dem Chef der Kurdischen Demokratischen Partei.

Für wenige Tage verwandelte sich die abgelegene Bergfeste in einen Ort, an dem Weltpolitik gemacht wird. Zumindest taten alle Beteiligten so. Der US-Sonderbotschafter für den Irak, Zalmay Khalilzad, kam mit großem Gefolge einschließlich Special Forces. Sie schützten dieses Treffen von Kurden, Arabern, Turkmenen und Vertretern der schiitischen Opposition. Wie selbstverständlich wurden die kurdischen Peshmerga, die berühmten Freiheitskämpfer, dabei zu Statisten der Amerikaner.

Doch der große Aufwand kontrastiert mit dem Mangel an inhaltlichen Fortschritten. Die in London hoffnungsvoll gestartete irakische Opposition scheint schon wieder am Ende zu sein. Der Hauptgrund, warum das Treffen immer wieder verschoben wurde war nicht wie offziell angegeben das schlechte Wetter, sondern das Ausbleiben von US-Präsident Bushs diplomatischer Allzweckwaffe Zalmay Khalilzad. Der afghanischstämmige Sonderbotschafter managte schon die Kooperation der USA mit den lokalen Kräften in seiner alten Heimat und ist nun dafür auch im Irak zuständig. Zur Zeit verhandelt er parallel mit der türkischen Regierung in Ankara und Iraks Opposition in Salahaddin.

In seiner Rede bestätigte er, dass die USA kein Interesse mehr daran haben, in Salahaddin eine irakische Gegenregierung auszurufen. Vielmehr möchte Washington, dass die Vertreter der Opposition, die sich teilweise schon als neue Minister gesehen hatten, erst mal mit der Rolle als Berater der US-Streitkräfte zufrieden sind. Zwar soll Irak möglichst schnell eine demokratisch legitimierte Regierung bekommen, doch erst müssen die USA ihren Job erledigen. Dass das ein paar Jahre dauern kann, wurde nicht gesagt, schien aber klar.

Washingtons wichtigste Botschaft an seine Alliierten im Irak betraf die Zusammenarbeit mit der Türkei. Man habe bei den Gesprächen in Ankara die Befürchtungen der Kurden immer berücksichtigt, so Khalilzad. Deshalb müssten die Kurden und die gesamte irakische Opposition jetzt mit den USA und der Türkei zusamenarbeiten.

Schon wird von Verrat gesprochen. Zwar will niemand öffentlich die USA kritisieren, doch hoffe er inständig, so Sprecher Zibari, „dass unsere armen kurdischen Menschen nicht dem amerikanisch-türkischen Deal zum Opfer fallen“. Diese Angst schwebte über Salahaddin. Noch vor Konferenzbeginn hatte das kurdische Parlament beschlossen, man wolle keinerlei fremde Streitkräfte auf seinem Territorium dulden. Ob man denn nun eine Nordfront ablehne, wurde Zibari gefragt. Barsani selbst hatte am Vortag von ernsten Konsequenzen gesprochen, falls türkische Truppen in den Nordirak einmarschierten.

In Salahaddin wurde beschlossen, eine Delegation nach Ankara zu senden, um den ungeliebten Verbündeten davon zu überzeugen, dass auch ohne Einmarsch türkischer Soldaten Ankaras Interessen gewahrt werden könnten. Doch ein Erfolg der Delegation ist unwahrscheinlich. Denn so wie der US-Aufmarsch rund um den Irak allen Diskussionen im UN-Sicherheitsrat zum Trotz unvermindert weitergeht, verlegt auch die Türkei immer mehr Truppen an Iraks Grenze. Dies drängt alle Diskussionen um eine künftige Verfassung des Irak in den Hintergrund. Kommentarlos wurde am Ende des Treffens ein Papier mit Ideen über einen rechtsstaatlichen föderalen Irak wortlos verteilt. Es war schon Altpapier.