Rostiges Eisen bricht noch lange nicht

Der hoch verschuldete Traditionsverein Borussia Neunkirchen steckt in den schwersten Zeiten seiner langen Geschichte

NEUNKIRCHEN taz ■ Hoch lebe Eisen, hoch lebe Stahl, hoch lebe die Borussia – die Eisenzeit ist in Neunkirchen längst vorbei, die Stadt im östlichen Saarland (52.000 Einwohner) hat sich zum Einkaufs- und Dienstleistungsstandort gemausert, vom ehemals gigantischen Eisenwerk existieren nur noch wenige denkmalgeschützte Überreste.

Das Motto hat sich aber gehalten, zumindest für den wichtigsten Fußballclub der Stadt. Noch immer ziert ein „Hoch lebe Eisen“ die Webseite des Regionalligisten Borussia Neunkirchen, der in den schwersten Zeiten seiner langen Geschichte steckt. Vor einigen Wochen musste der 1905 gegründete Traditionsclub, der in den Sechzigerjahren drei Spielzeiten in der Bundesliga absolvierte, Insolvenz anmelden. Ein Schuldenstand von geschätzten 525.000 Euro, darin enthalten sind allein 400.000 Euro Steuerrückstände für die Jahre 1996 bis 2000, kann der in der Regionalliga Süd spielende Verein nicht mehr alleine bewerkstelligen. Borussia Neunkirchen ist pleite, der Zwangsabstieg in die Oberliga, vielleicht sogar in eine tiefere Klasse, ist mit dem Insolvenzantrag schon heute besiegelt.

Dabei begann die Saison euphorisch. Nach mehreren Anläufen glückte den Borussen der Aufstieg in Regionalliga Süd. Gefeiert wurde groß, dafür bescheiden die neue Saison geplant. Mit einem Etat von knapp einer Million Euro startete das Unternehmen Klassenerhalt. Die Mannschaft aus der Oberliga spielte fast komplett auch in der neuen Klasse, Geld für Zukäufe war kaum da. Denn große Sponsoren besitzt der Verein nicht, die wenigen betuchten Firmen in der Region fördern seit Jahren lieber die benachbarten Regionalligaclubs SV Elversberg und den 1. FC Saarbrücken. Am Ende der Rückrunde stand die Mannschaft mit gerade mal neun Punkten abgeschlagen am Tabellenende.

Das „Ellenfeldstadion“ – seit 1911 Heimstätte der Borussia – genoss in Fußballerkreisen einst höchsten Respekt. Eine kleine Arena, direkt in der Stadt gelegen, nur einen Abschlag von den Häusern entfernt. Im VIP-Raum des Stadions wird die Vergangenheit zelebriert. Vor allem aus den Bundesligajahren zieren Wimpel, Pokale, Urkunden und viele Bilder Wände und Regale. Wolfgang Gayer, Günther Kuntz und vor allem sein Sohn Stefan, der 1994 Europameister wurde, waren bekannte Neunkircher Fußballer.

Aber deren Zeiten sind längst vorbei, die Fotos sind vergilbt, die Pokale glänzen nur noch matt und das Ellenfeldstadion selbst ähnelt stellenweise einer Ruine. 30.000 Zuschauer passen eigentlich in das Stadion, wegen der Baufälligkeit dürfen seit Jahren aber höchstens 18.000 Zuschauer hinein. Immerhin investierte die Stadt, der die Arena gehört, nach dem Aufstieg 500.000 Euro in die Sanierung. Ob die geplante Flutlichtanlage nun noch kommt, ist fraglich. Denn die Borussia dürfte als Sanierungsfall in den nächsten Jahren kaum wieder in die Regionalliga aufsteigen. Insolvenzverwalter Günter Staab, ein Rechtsanwalt aus Saarbrücken, ist zuversichtlich: „Ich denke, wir können den Verein sanieren.“ Die Spielergehälter zahlt während des Insolvenzverfahrens das Arbeitsamt. Aber der Sparzwang beeinflusst die Planung für die neue Saison. Spielertrainer Andreas Golombek setzt vor allem auf Nachwuchs und Spieler aus der zweiten Mannschaft.

Viele Alternativen hat er nicht, die besten Spieler werden spätestens Ende der Runde zu anderen Vereinen wechseln. So schlecht wie in diesem Jahr ging es Borussia Neunkirchen bislang noch nicht. Aber der Verein und die Region sind Niederlagen gewöhnt, irgendwie ging es immer weiter. Denn Eisen rostet zwar, es braucht aber sehr lange, bis es bricht. THOMAS KLEIN