Islamischer Dialog statt heiliger Krieg

In Jemen läuft ein weltweit bislang einzigartiger Modellversuch zur Wiedereingliederung von militanten Islamisten

SANAA epd ■ Kadi Hamood al-Hitar ist ein viel beschäftigter Mann. Der hoch angesehene Richter und Vorsitzende der jemenitischen Menschenrechtskommission leitet ein Reintegrationsprogramm für ehemalige Al-Qaida-Kämpfer in Jemen – ein weltweit einmaliges Projekt.

In Jemen sitzen vor allem aus Afghanistan zurückgekehrte Mudschaheddin („Gotteskrieger“) in Haft. Die Gefangenen befinden sich in einer rechtlichen Grauzone, denn den wenigsten können konkrete Verbrechen zur Last gelegt werden. Das Dialogprojekt zielt in eine andere Richtung: Imame und Rechtsgelehrte weisen die Exkämpfer auf eine andere Interpretation des Korans hin. Dialog sei die vom Islam vorgegebene Form der Konfliktlösung und damit am besten geeignet, das Terrorismusproblem an der Wurzel zu packen, sagt der Richter. Oft hätten die jungen Männer die Auslegung des Korans an die Situation in Afghanistan angepasst, wo man bis 1990 einen „berechtigten Krieg gegen die Ungläubigen“ geführt habe.

Der Modellversuch ist Teil der jemenitischen Bemühungen, den Ruf eines Terrorstaates abzuschütteln. Nach Anschlägen auf ausländische Ziele und der Ermordung dreier amerikanischer Krankenhausangestellter im Dezember 2002 geriet das kleine Land „rechts von Mekka“, wie Jemen auf Deutsch heißt, ins Visier westlicher Terrorfahnder. Nur ihrer Kooperation mit Washington verdankte es die Regierung in Sanaa, dass sie nicht als Mitglied in die „Achse des Bösen“ eingeordnet wurde.

Seitdem versucht man den Spagat zwischen der Anti-Terror-Allianz und arabischer Solidarität. Auch Richter Hitari vollführt einen Balanceakt, wenn er sich mit den ehemaligen Al-Qaida-Kämpfern zum Dialog zusammensetzt. Religiöse Hardliner könnten ihn des Verrats bezichtigen, Aufgeklärte ihm vorwerfen, mit den Fundamentalisten zu sympathisieren.

Dabei können sich die Ergebnisse der ersten zweimonatigen Dialogrunde sehen lassen: 36 inhaftierte Islamisten konnten als „therapiert“ entlassen werden. Auch die graue Eminenz Jemens, Expremier Eryani, ist überzeugt: „Wir werden den Kampf gegen den Terrorismus gewinnen – mit oder ohne Washington.“