Nie wieder untätig den Rechtsradikalen zugucken

Ein engagierter Bestseller: Franck Pavloffs Büchlein „Matin brun“ wurde in Frankreich zum Überraschungserfolg. Nun erscheint es in Deutschland

Alles ist braun. Und so normal, wie die Welt von zwei Typen nur sein kann, die sich zum Kartenspielen treffen, die sich gegenseitig Geschichten erzählen, bei denen der jeweils andere nicht zuhört, und die nicht merken, wie alles um sie herum immer enger wird. Bis es zu spät ist. – „Matin brun“ erzählt eine Geschichte ohne Zeit und Ort. Mit Hauptfiguren, die kein Alter haben. Und einer Sprache, die so einfach ist wie in einem Comic. Es ist eine ortlose Parabel, die von Gleichgültigkeit und Desinteresse handelt und von Mangel an persönlichem Mut.

Für die Franzosen spielt „Matin brun“ eindeutig in Frankreich. Seit im vergangenen Frühling ein Rechtsextremer bei den Präsidentschaftswahlen fünf Millionen Stimmen bekam, verschlingen sie das elf Seiten (!) dünne und nur einen Euro teure Büchlein des Kinderpsychologen und Jugendbuchautoren Franck Pavloff: Binnen acht Monaten wurde es 400.000-mal verkauft. 2002 war es das bestverkaufte Buch in Frankreich.

Dieser phänomenale Erfolg hat viele überrascht. Denn „Matin brun“ war schon seit 1997 in Umlauf, als es zuerst in einem Sammelband anlässlich eines antifaschistischen Buchsalons in der südfranzösischen Stadt Gardanne erschien. 1998 nahm es der kleine Provinzverlag Cheyne in sein Programm auf. Aus politischen Gründen, ohne Hoffnung auf Gewinn. „Matin brun“ machte immer dann von sich reden, wenn irgendwo in Europa – in Österreich beispielsweise oder in Italien – ein neuer rechtsextremer Erfolg zu verzeichnen war. Damit schaffte es binnen vier Jahren immerhin eine Auflage von 20.000 Exemplaren.

Zum Abheben im April vergangenen Jahres trug entscheidend ein Journalist im staatlichen Radiosender „France inter“ bei. Wenige Minuten bevor der rechtsextreme Präsidentschaftskandidat Le Pen zu einem Interview in sein Studio kam, sprach der Journalist über „Matin brun“. Ein Buch, das – wie er sagte – jeden vor seine Verantwortung stelle und jedem zeige, dass er gegen den Faschismus handeln müsse.

„Matin brun“ traf ziemlich exakt den Ton jener Tage im vergangenen Frühling, als in Frankreich ein Ausnahmezustand herrschte. Hunderttausende meist junger Leute, von denen viele nie zuvor von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht hatten, entdeckten plötzlich die Politik. Überrascht stellten sie fest, dass die Rechtsextremen in ihrem eigenen Land stark geworden waren. Reumütig gingen sie allabendlich auf die Straße, beteuerten, dass sie „keine Ahnung“ gehabt hätten, und versicherten sich gegenseitig, dass sie nie wieder untätig zugucken wollten.

Die Bewegung sackte schnell wieder in sich zusammen, aber das Büchlein blieb. Heute nutzen es vor allem Lehrer als Unterrichtsstoff – um über Rechtsextremismus und Intoleranz zu reden. Jetzt erscheint das Buch in mehreren anderen europäischen Ländern, unter anderem auch in Deutschland.

DOROTHEA HAHN

Franck Pavloff: „Brauner Morgen“. Aus dem Französischen von Wolfgang Renz, Distel Verlag, 11 S., 2 €ĽIm selben Verlag erscheint eine Edition der französischsprachigen Ausgabe mit Anmerkungen, 1,95 €