Herkunft absaugen

Leading Lady: Jennifer Lopez will mehr sein als eine Ikone der Latino-Exploitation. In „Manhattan Love Story“ reicht es für das Zimmermädchen

von JENNI ZYLKA

Die Frau ist olivfarben. In ihrem neuen Film „Manhattan Love Story“ gibt es eine Ballszene, in der Jennifer Lopez, in einen Kleine-Mädchen-Tülltraum gehüllt, vor ihrem distinguierten Prinzen steht. Um sie herum schweben amerikanische Prinzessinnen mit echt amerikanischer, weißer Haut. Nur Lopez, das kurz vor der Verwandlung stehende Aschenbrödel, sieht aus wie eine polierte griechische Gigantos.

Natürlich, JLo unterscheidet sich noch in anderen Details vom landläufigen Hollywood-Maß. Dazu kann man zum Beispiel den Fernsehgreis Thomas Gottschalk fragen, der hat Fräulein Lopez in seiner letzten „Wetten, dass …?“- Show so vorgeführt, wie es von einem öffentlich-rechtlichen Sexisten erwartet wird: ihren Abgang, also den Lopez-Hintern, schön noch mal in Zeitlupe, unterlegt mit sabbernden Kommentaren. Gottschalk als Benny Hill. Mal sehen, wann er einen weiblichen Gast das erste Mal anfällt. Und mal sehen, was das ZDF dann macht.

Es gab eine Zeit, da hat sich Fräulein Lopez auch im Gesicht von den immer gleichen smiling faces ihrer Branche abgesetzt. Nicht nur wegen der Farbe: In ihren ersten Filmen, „My family“ und „The money train“ von 1995 trägt sie noch ihre eigene Nase. Eine leicht gebogene, unten etwas verbreiterte Latinoqueen-Nase. Mit etwas Fantasie die Nase einer alten indianischen Göttin. Einer Latino-Bombe. „The Supernova“ nennen sie Jennifer dort, wo sie herkommt. 1970 wurde sie in Castle Hill, South Bronx, geboren, als eine von drei Töchtern einer puertoricanischen Familie. Wenn man den Gerüchten über sie Glauben schenkt, hat sie die Bronx nie abgelegt. Vor vier Jahren wurde sie wegen einer Schießerei in einem Nachtclub festgenommen, zusammen mit Puff Daddy, einem echten, tätowierten Homey, einem der erfolgreichsten Rapper und Produzenten der Welt, zwei Jahre lang war er ihr Freund. Das gab Credibility. Weiter weiß man über sie, wie sie riecht: So wie ihr Parfum „Glow“, etwas würzig, nicht eben unaufdringlich, aber auch frisch. Wie eine extrem ehrgeizige Tänzerin.

Außerdem ist sie eine Zicke. Fräulein Lopez, deren erstes, vom musikalischen Standpunkt her unglaublich lahmes Fließband-Latinopop-Album 2001 sechsmal Platin bekam, singt mit dünnem Stimmchen nämlich am liebsten darüber, wie normal sie ist. Sehr verdächtig: „My love don't cost a thing“. „I'm real“. „I'm just Jenny from the block“. Pustekuchen. In Wirklichkeit ist sie alles andere als billig zu haben, real oder das nette Mädchen von nebenan. Lopez ist in den letzten Jahren eine weiße Latinodiva geworden (auch wenn sie olivfarben ist): Sie hat sich die Herkunftsattitüde immer mehr abgeschminkt und -gesaugt, bis auf ein paar Spielereien wie den Akzent, den Teint, den Hintern. Das muss man in Hollywood, wenn man nicht auf ewig Randrollen als schöne Ausländerin haben möchte, wenn man auch mal Leading Lady sein will.

So wie Rita Hayworth. Die hieß in Wirklichkeit Margarita Carmen Cansino und war die Tochter eines spanischen Tänzers. Unter ihrem richtigen Namen spielte sie in ein paar Filmen mit, meistens klitzekleine Tänzerinnen-Parts. Bis sie Namen und Haarfarbe änderte, et voilà – ein neuer, frisch rot gefärbt leuchtender Star. Lupe Velez und Rita Moreno schafften es als Exotinnen zumindest bis fast ganz oben. Die Mexikanerin Velez wurde, nach ein paar Hauptrollen, vor allem wegen ihrer Liebesgeschichten und Skandale bekannt – man erwartete Temperament und bekam es. Und die Puertoricanerin Rita Moreno holte einen Oscar für „West Side Story“, dem Klassiker für Latino-AmerikanerInnen, und zeigte ihre langen Beine Gene Kelly in „Singin’ in the rain“. Katy Jurado, noch so eine wilde Mexikanerin, hieß eigentlich Maria Cristina Jurado Garcia und spielte in „High Noon“ neben Gary Cooper genau die Rolle, die das Schicksal dieser allzu exotischen Hollywoodschauspielerinnen ist: Gary Coopers Ex-Geliebte, die ihm durch ihr – für die amerikanische Gesellschaft – unkonventionelles Anderssein das Quentchen Toleranz und Mann-von-Welt-Ansehen verschafft, das er braucht. Weil sie sichtbar unamerikanisch ist, wird er sichtbar amerikanischer. Über Rosie Perez („Do the right thing“, „Fearless“), eines von zehn Kindern aus einer puertoricanischen Familie, erzählt man sich gruselige Messerstechergeschichten. Alles Image.

Lopez aber will mehr. Sie will nicht nur, wie man vermuten könnte, wenn man (bis auf wenige Ausnahmen) die Qualität ihrer Filme anschaut, Latino-Exploitation sein, so wie Pam Grier als Coffy und Foxy Brown oder Tamara Dobson als Cleopatra Jones Blaxploitation sind – sexy, exotisch, non-white, aber Trash. Sie will La Lopez sein, elegant, in den richtigen Kreisen, mit eigener Kosmetik-Mode-Restaurant-Kette, nicht nur The Supernova, und erst recht nicht nur The Butt. Dafür setzt sie diesen Butt ein, der zumindest größer ist als ihr Talent, und noch eine Menge Dinge mehr. Aber der Hintern wird am meisten wahrgenommen. Was an den Betrachtern liegt, solchen wie Gottschalk oder an den Journalisten, die die Kamera drauf halten und fragen, wie hoch er versichert ist. An den Filmen liegt es nicht: Lopez passt peinlich genau auf, dass ihr Hintern weggefilmt wird. In „Out of sight“ mit George Clooney kommt er selbst in der Bettszene nur im Ansatz vor. In „U-Turn“ mit Sean Penn gar nicht, genauso wenig in „The Cell“. Und in „Genug“, dem Hausfrau-wird-im- Kampf-gegen-Brutalomann-zur-Todesmaschine-Rambo-Verschnitt, ist er höchstens ein Sportgerät: Viel Hintern heißt in diesem Fall viel Power.

Es wäre schade, wenn JLo, jetzt standesgemäß (im Hinblick auf die Zukunft) liiert mit Jungstar und New Rat Pack-Mitglied Ben Affleck, ihren Hintern demnächst vielleicht doch noch ganz absaugen lässt, damit niemand sagt, sie habe sich mit ihm nach oben geshakt. Schade nicht, weil Gottschalk und die anderen Lustgreise und -Jungs dann nichts mehr zu geifern hätten. Sondern weil sie vielleicht doch mal ein richtiger Star wird, einer mit Substanz und Preisen und guten Rollen in guten Filmen. Dann würde man sich freuen, dass es eine, die jedenfalls für Traumfabrikverhältnisse aus der Rolle fällt, es geschafft hat. Wenn sie es nicht schafft, wäre aus ihr eine verdammt authentische Latino-Exploitation-Trash-Ikone zu machen. Und dann würde man sich auf die Retrospektiven in dreißig Jahren freuen, in der auch „Manhattan Love Story“ laufen könnte, das seichte Aschenputtelmärchen mit der olivfarbensten Prinzessin, die es je gab.

„Manhattan Love Story“. Regie: Wayne Wang. Mit Jennifer Lopez, Ralph Fiennes u. a., USA 2002, 107 Min.