Ein gemäßigter Pragmatiker

Arafats Stellvertreter Mahmud Abbas alias Abu Masen soll jetzt palästinensischer Premierminister werden

„Ich glaube nicht, dass das palästinensische Volk ein anderes Leben wählen möchte als ein auf Freiheit und auf Demokratie gestütztes, auf Meinungs- und Glaubensfreiheit“, resümierte Mahmud Abbas alias Abu Masen einst in seinem Buch „Through Secret Channels“. Einen deutlichen Schritt in diese Richtung bedeutet die Ernennung eines palästinensischen Premierministers, der Palästinenserpräsident Jassir Arafat auf Druck des sogenannten Quartetts, am Donnerstagabend zustimmte. Sollte dem künftigen Chef der palästinensischen Regierung auch die entsprechenede Kompetenz eingeräumt werden, dann will Abu Masen, der derzeit favorisierte Kandidat, das Amt kommende Woche übernehmen.

Über 40 Jahre agierte er im Schatten Arafats, mit dem er gemeinsam die Fatah gründete, die größte Fraktion innerhalb der PLO. Der dritte noch Lebende im Bunde ist Faruk Kadoumi, PLO-Außenminister und als Einziger bis heute in Tunis wohnhaft, da er die Osloer Vereinbarungen ablehnte, die seinen alten Gesinnungsgenossen die Rückkehr in das palästinensische Gebiet ermöglichten. Abbas lebte seit 1948 im Exil, nachdem er 13-jährig mit seinen Eltern aus seiner Heimatstadt Sefad geflohen war. Heute ist er Generalsekretär des PLO-Exekutivkomitees.

Abu Masen gehörte schon lange vor dem Oslo-Abkommen zu denjenigen in der PLO, die nach einer friedlichen Lösung mit Israel strebten und die bereits in den 70er-Jahren Kontakte zur israelischen Linken unterhielten. Damals promovierte er an der Universität in Moskau zum Thema Zionismus, davon ausgehend, dass „man den Gegner studieren“ sollte. Er galt stets als Pragmatiker und gehörte 1990 zu den wenigen Kritikern der damaligen irakischen Invasion in Kuwait. Gemeinsam mit Israels Außenminister Schimon Peres unterzeichnete Abu Masen 1993 das Abkommen, das den bewaffneten Kampf um Großpalästina beenden und eine schrittweise Autonomie in den besetzten Gebieten bringen sollte.

Die Nominierung Abu Masens zum Premierminister kommt wenig überraschend. Seit Jahren wird er als möglicher Nachfolger Arafats gehandelt. Sowohl in Israel als auch in den USA genießt er den Ruf eines moderaten palästinensischen Führers, der ein Partner für den Frieden sein könnte. Auch innerhalb der neuen Ministerriege in Ramallah soll er hoch geschätzt werden. Nicht mehr ganz so beliebt ist er im palästinensischen Volk, das ihm schwere Korruptionsvorwürfe anhängt.

In einem Interview mit der in Abu Dhabi erscheinenden Tageszeitung Nahost zeigte Abu Masen sich jetzt nicht allzu optimistisch mit Blick auf Friedensverhandlungen mit der neuen israelischen Koalition, die „keine Regierung des Friedens ist“. Nichtsdestotrotz werde er versuchen, die Hindernisse zu überbrücken. Allerdings habe sich an der palästinensischen Position „seit Camp David nichts verändert“. Dort scheiterten die Verhandlungen an der Frage des Rückkehrrechts für palästinensische Flüchtlinge. „Wir wollen, dass Israel die Verantwortung für die Not der Flüchtlinge anerkennt und ihnen das Recht auf eine Rückkehr garantiert“, meinte er gegenüber der Nahost. Israel lehnt den Rückzug der heute im Exil lebenden Palästinenser ab, da die damit einhergehenden demografischen Verschiebungen die Existenz des Judenstaates bedrohen. SUSANNE KNAUL