TROTZ ALLER RHETORIK: ES GIBT KEINEN AUTOMATISMUS FÜR DEN IRAKKRIEG
: Furchtsame Kriegstreiber

Die Terminpläne ändern sich stündlich, der Weltsicherheitsrat ist in Aufregung, Tony Blair noch viel mehr – und der Krieg der USA gegen den Irak kommt trotzdem. Diesen Eindruck will jedenfalls die US-Regierung erwecken. Der Sicherheitsrat, signalisiert Washington, könne nur noch darüber entscheiden, ob das Militär mit oder ohne Rückhalt der Vereinten Nationen einmarschiert. Das soll den unentschlossenenen Ländern die Angst vor einer Zustimmung nehmen und Frankreichs Position schwächen. Nur die Konsenssuche im Sicherheitsrat garantiert großen französischen Einfluss.

Ob die USA und Großbritannien aber wirklich so agieren, darf bezweifelt werden. Denn trotz aller Rhetorik, man werde den Angriff auch allein unternehmen: Ohne Unterstützung Großbritanniens ist das politische Risiko für die USA sehr hoch, und ohne UN-Resolution ist das Risiko für Tony Blair zu hoch. Insofern ist bei aller Aufgeregtheit doch auch Gelassenheit angebracht: Solange keine Mehrheit für einen Kriegsautomatismus in Sicht ist und Frankreich und Russland mit einem Veto drohen, solange ist auch noch die Hoffnung berechtigt, dass ein Angriff verhindert werden kann.

Immerhin ist jetzt ein erneuter Aufschub erreicht worden, und der verlegt den Abstimmungs-Showdown auf die nächste Woche. Am Dienstag aber wird Hans Blix die konkreten Forderungen der UN-Waffeninspektoren an den Irak im Sicherheitsrat vorstellen. Wenn der Irak tatsächlich noch an diesem Wochenende zwei der wichtigsten Fragen, nämlich die nach dem Verbleib von Anthraxsporen und VX-Nervengas zufrieden stellend beantworten sollte, gibt es überhaupt kein Argument mehr, nach der die USA und Großbritannien einen Abbruch der Inspektionen und sofortigen Krieg fordern könnten. Die Initiative ist dann wieder bei den Kriegsgegnern, die ganz bewusst in Kenntnis der Blix-Forderungen auf einen eigenen Resolutionsentwurf verzichtet haben.

Die öffentliche Meinung in den westlichen Mitgliedsländern des Sicherheitsrats wird sich für die Kriegsbefürworter noch katastrophaler entwickeln. Nämlich dann, wenn sie konkrete, in realistischem Zeitrahmen erfüllbare Forderungen an den Irak ignorieren und stattdessen sofort einmarschieren wollen. Tony Blair weiß und fürchtet das, und US-Präsident Bush ruft Großbritannien und Spanien gar zum Krisengipfel auf die Azoren. Dass Frankreich jetzt die Initiative in die Hand nimmt und versucht, Blair eine Brücke zu größerem Zeithorizont zu bauen, muss die Kriegsbefürworter vor Ärger die Wand hochtreiben. Es sei ihnen gegönnt. BERND PICKERT