Abertausende auf Friedensdemos

Rund 100.000 Menschen bilden eine 35 Kilometer lange Lichterkette durch Berlin. Blockade der Rhein-Main-Airbase in Frankfurt verläuft weitgehend friedlich. „Resist“ fordert: Keine Überflugsrechte für US-Armee. Friedensdemos auch anderswo

von MATTHIAS BRAUN

„Wir hatten mit maximal 30.000 Menschen gerechnet.“ Kurt Jotter, Mitinitiator der Lichterkette durch die Bundeshauptstadt, konnte es gestern immer noch nicht recht glauben. Denn vom bürgerlichen Spandau im Westteil Berlins bis in den Plattenbaustadtteil Hellersdorf hatten sich am Samstag 100.000 Berliner zu einer Lichterkette zusammengefunden.

Mit Taschenlampen, Kerzen und Fackeln ausgerüstet, stellten sich einige Teilnehmer nahe der US-Botschaft zu dem Schriftzug „No war“ zusammen. Insgesamt, so die Veranstalter, sei die Lichterkette gegen den drohenden Irakkrieg 35 Kilometer lang gewesen. „Die ganze Aktion können wir getrost als Weltrekord verbuchen“, sagte der Künstler Jotter gestern zur taz. Vielleicht nehme die Bush-Administration ja das Guinnessbuch der Rekorde ernst.

Auch in anderen Städten trafen sich mehrere tausend Kriegsgegner zu Kundgebungen. Vor der Rhein-Main-Airbase der US-amerikanischen Streitkräfte bei Frankfurt blockierten Demonstranten mehrere Zufahrtswege. Die Polizei sprach von 900 Teilnehmern, ein Vertreter der Kampagne „Resist the war“ von rund 2.000. Die Aktion, die gerichtlich untersagt worden war, verlief friedlich. „Wir waren erstaunt über die Entschlossenheit der Blockadeteilnehmer“, lobte sich Mitveranstalter Christoph Bautz gestern gegenüber der taz. Auch nach der dritten polizeilichen Aufforderung, das Haupttor des Flugplatzes freizugeben, sei niemand aufgestanden.

Die Polizei habe erst nach drei Stunden begonnen, die Blockierer wegzutragen. Sie sei dabei vorsichtig vorgegangen, so Bautz. Die Behörden gaben an, von 150 Menschen Personalien aufgenommen und 77 Demonstranten vorübergehend in Gewahrsam genommen zu haben. In der Umgebung des Flugplatzes hatte die Polizei Straßensperren eingerichtet. Demonstranten, die mit dem Zug anreisten, wurden kontrolliert. Agenturen meldeten, es seien bis zu 400 Beamte eingesetzt worden.

Im baden-württembergischen Karslruhe versammelten sich knapp 10.000 Menschen zu einer Kundgebung. Rund 4.000 Nürnberger bildeten eine Menschenkette rings um den Altstadtkern der fränkischen Stadt. Auf dem Kasseler Königsplatz formierten sich circa 1.000 Menschen zu einem Friedenszeichen. Im der Studentenstadt Freiburg protestierten 100 irakische Kurden gegen einen Krieg in ihrem Heimatland.

Die politische Forderung der Demonstranten richtete sich überwiegend gegen die Pläne der US-Regierung, im Irak mit Waffengewalt einen Regimewechsel zu erzwingen. Hingegen sagte Christoph Bautz für die Veranstalter der Sitzblockade bei Frankfurt am Main: „Unsere Message an die Bundesregierung ist: keine Überflugsrechte, keine Nutzung militärischer Einrichtungen in Deutschland durch die amerikanischen Streitkräfte.“ Bautz betonte, die „Resist“-Initiative werde am zweiten Samstag nach Kriegsbeginn wieder eine Sitzblockade vor der Rhein-Main-Airbase initiieren.

Auch die Kirche wirbt weiter aktiv gegen ein militärisches Vorgehen im Irak. Vertreter katholischer Orden und Verbände im Bistum Limburg übergaben am Freitag 15.000 Unterschriften gegen den Krieg an Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD).

Bundespolitiker hielten sich von den Demonstrationen am Wochenende fern. Allerdings unterstützten die Landesverbände von SPD und Grünen die Lichterkette in Berlin. Sie hatten auch mit Berliner Künstlern, Kirchenverbänden und dem Gewerkschaftsbund dazu aufgerufen.