Alte Resolution – jetzt neu

Vor zwölf Jahren stimmte die UN für die Befreiung Kuwaits, jetzt sehen die USA dies als neue Kriegsermächtigung

aus Genf ANDREAS ZUMACH

Die Bush-Administration behauptet – unterstützt vom britischen Premierminister Blair– es gebe eine völkerrechtliche Legitimation für den geplanten Präventivkrieg gegen Irak. Dabei beruft sie sich auf die Irakresolutionen 678, 687 und 1441 des UN-Sicherheitsrates.

90 Prozent der Völkerrechtsexperten außerhalb der USA sind dagegen der Ansicht, dass ein Krieg ohne ausdrückliche Ermächtigung durch den Sicherheitsrat ein Verstoß gegen das Gewaltverbot der UN-Charta ist. Auch in den USA teilt eine – nicht ganz so große – Mehrheit der Völkerrechtler diese Ansicht.

Laut UN-Charta gibt es zwei Fälle, in denen die Anwendung militärischer Gewalt erlaubt ist: Ein Staat darf, nachdem er angegriffen wurde, militärische Mittel zur „Selbstverteidigung“ einsetzen (Art. 51), ist dann aber gehalten, unverzüglich den Sicherheitsrat anzurufen, damit dieser Maßnahmen ergreift zur „Wiederherstellung des Friedens und der internationalen Sicherheit“.

Der zweite Fall: Der Sicherheitsrat autorisiert die UN-Staaten zur Anwendung militärischer Mittel. Dies geschah in der knapp 58-jährigen Geschichte der UNO bislang nur einmal: mit seiner Resolution 678 setzte der Sicherheitsrat am 29. November 1990 der Regierung Iraks ein Ultimatum, ihre Besatzungstruppen aus Kuwait bis spätestens 15. Januar 1991 zurückzuziehen. Sollte Bagdad dies nicht tun, ermächtigte der Rat die UN-Staaten, „alle erforderlichen Mittel“ einzusetzen, um die Besetzung Kuwaits rückgängig zu machen. Was im zweiten Golfkrieg dann auch geschah.

Seitdem galt der auch von den USA nicht in Frage gestellte Konsens, dass Resolution 678 erledigt sei. Doch in der letzten Woche begründete Präsidentensprecher Ari Fleischer das „Recht“ der USA zum Krieg gegen Irak ohne eine neue UN-Resolution erstmals öffentlich mit ebendieser Resolution 678: Der hier formulierte Auftrag zur Wiederherstellung von Frieden sei nach wie vor „unerledigt“, da die über Massenvernichtungswaffen verfügende und mit Terroristen kooperierende Regierung von Saddam Hussein weiterhin eine „gravierende Bedrohung“ darstelle.

Mit der häufig als „Waffenstillstandsresolution“ bezeichneten Resolution 687 vom 3. April 1991 wurde Irak nach Ende des zweiten Golfkrieges die Abrüstung aller Massenvernichtungswaffen auferlegt. Washington argumentiert nun, Irak habe diese Forderungen bisher nicht erfüllt und damit die 687 gebrochen. Daher hätten alle UN-Staaten das „Recht“, auf Basis der ursprünglichen Legitimation aus Resolution 678 die mit Resolution 687 angeblich nur „unterbrochenen“ militärischen Maßnahmen gegen Irak „wieder aufzunehmen“.

Schließlich leitet die Bush-Administration die völkerrechtliche Legitimation aus der Resolution 1441 vom 8. November letzten Jahres ab. Diese stellt fest, dass Bagdad weiterhin die Abrüstungsauflagen aus Resolution 687 nicht erfüllt hat; sie forderte Bagdad zur Vorlage eines Waffenberichtes sowie zur Wiederzulassung der Ende 1998 abgebrochenen UN-Inspektionen auf. Für den Fall der Nichtbefolgung werden Bagdad „ernsthafte Konsequenzen“ angedroht.

Eine Ermächtigung zu militärischen Maßnahmen ist in der Resolution entgegen der Behauptung der Bush-Administration nicht enthalten. Washington und London wollten bereits in der 1441 eine Formulierung verankern, die im Falle der Nichterfüllung der Abrüstungsauflagen durch Bagdad die automatische Anwendung militärischer Maßnahmen erlaubt hätte. Frankreich, Russland und China waren strikt gegen einen derartigen Automatismus und verlangten, dass der Rat eine zweite Resolution mit einer ausdrücklichen Ermächtigung zur militärischen Gewaltanwendung verabschieden müsse.

Als Kompromiss wurde damals vereinbart, dass der Rat zu „weiteren Beratungen zusammentritt“, sollten die beiden UN-Chefinspekteure berichten, dass Irak seinen Abrüstungsverpflichtungen nicht nachkomme und zugleich die Inspektoren bei ihrer Arbeit behindere. Einen entsprechenden Bericht haben die Inspekteure bis heute nicht vorgelegt.

Den präventiven Charakter des geplanten Krieges gegen Irak begründen die Regierungen in Washington und London mit ihrem vermeintlichen Recht auf vorbeugende „Selbstverteidigung“ gegen die Gefahren, die nach ihrer Behauptung von Bagdad ausgehen. Für derartige Kriege gibt es jedoch keinerlei Deckung durch das Völkerrecht.