Ein bisschen Unfrieden

Seit dem Lied „Ich hasse Israel“ gilt der ägyptische Sänger Schaaban Abdel Rahim als Stimme der arabischen Straße. Mit einem Antikriegssong greift er nun die zunehmend schlechtere Stimmung auf

Sogar eine Kartoffelchipsorte wurde nach Schaabanbenannt

von KARIM EL-GAWHARY

Nicht die übliche arabische Liebesschnulze, sondern ein Antikriegslied dominiert derzeit die inoffiziellen arabischen Charts. Ob im Kairoer Minibus, im Ammaner Sammeltaxi oder im Beiruter Kassettenladen – überall dröhnt der neueste Hit des ägyptischen Volkssängers Schaaban Abdel Rahim aus scheppernden Boxen. „Es reicht“, lautet der Refrain, „Tschetschenien, Afghanistan, Palästina, Südlibanon, die Golanhöhen und jetzt auch noch der Irak? Das ist zu viel. Schämt euch – es reicht – es reicht – es reicht.“

In einer anderen Liedzeile heißt es: „Lasst den Irak in Frieden. Ihr habt ihn inspiziert und keine Massenvernichtungswaffen gefunden. Geht und inspiziert Israel, dort findet ihr eine Menge dieser Waffen.“ Doch der Song ist keine Huldigung an den irakischen Präsidenten. „Möge Gott Saddam vergeben. Er hat sie hierher gebracht“, singt Schaaban in Anspielung auf die US-Truppen, die sich seit Saddam Husseins Kuwaitinvasion in der Region befinden.

Nicht das erste Mal hat der ägyptische Sänger Gespür dafür bewiesen, was die arabische Straße bewegt. Seinen ersten großen Hit landete er vor zwei Jahren mit einem Titel namens „Ich hasse Israel“. Über Nacht wurde der in einem Kairoer Slumviertel geborene Schaaban, der sich sein Geld mit Wäschebügeln und gelegentlichen Auftritten bei Hochzeiten verdiente, damit in der ganzen arabischen Welt berühmt. In der arabischen Presse kursierten Geschichten von palästinensischen Teenagern, die seine Kassetten mit voller Lautstärke vor israelischen Checkpoints abspielten. Schaabans vernarbtes, nicht gerade von Schönheit geprägtes Gesicht tauchte, auf billige Synthetik-T-Shirts gedruckt, in Kairos Slumvierteln auf. Sogar eine Kartoffelchipsorte wurde nach ihm benannt.

Unter ägyptischen Intellektuellen ist der übergewichtige Sänger, mit seiner Pomade im Haar und seinen zwei goldenen Armbanduhren, allerdings verpönt: Man hält ihn für eine Ausgeburt des schlechten Geschmacks. Schaabans angeblich „ruinöser Einfluss auf die ägyptische Jugend“ verschaffte ihm sogar die Ehre, einmal als Debattenthema auf die Tagesordnung des ägyptischen Parlaments gesetzt zu werden. Ergebnis: Der Sänger repräsentiere keinerlei künstlerischen Wert. Im staatlichen Fernsehen kommt der ägyptische Kirmessänger daher bis heute nicht vor. Seine Popularität hat darunter nicht wirklich gelitten. Inzwischen werden seine Kassetten – eine Mischung aus billigen Discobeats und arabischer Folklore – zumindest auf den privaten Kanälen angepriesen.

Schaaban selbst nimmt es gelassen und kultiviert seinen volksnahen, aber derben Geschmack. Stolz erklärte er, dass seine Kleidung immer nur aus billigem Polsterstoff geschneidert würde. In einem Interview resümierte Schaaban seine Attitüde ganz ähnlich: „Ich kann nicht singen, und schau in mein Gesicht – es ist wirklich hässlich. Aber aus irgendeinem Grund schmeißen die Menschen mir ihr Geld hinterher … Warum sollte ich dazu Nein sagen?!“

Dabei kennt der Sänger kaum ideologische Grenzen. So nahm er für McDonald’s einen Werbesong auf, der einige Tage über den arabischen Äther lief, bevor die Firma den Spot zurücknahm, um nicht mit Schaabans „Ich hasse Israel“-Song assoziiert zu werden. Nach dem kurzen McDonald’s-Intermezzo soll der Vater von fünf Kindern dann, so geht zumindest das Gerücht auf Kairos Straßen, ein Bin-Laden-Lied produziert haben – ein Projekt, das, glaubt man dem Gerede, flugs von den ägyptischen Behörden gestoppt worden war. Schaaban selbst behauptet, nie ein solches Lied aufgenommen zu haben: Bin Laden sei ein Terrorrist, und solche Gerüchte seien nur in die Welt gesetzt worden, um ihm zu schaden, erklärte er dazu im Interview. „Egal, was die Regierung behauptet: Am Ende werden die Leute die Wahrheit herausfinden.“ Wie auch immer – seitdem wird er von vielen Fans liebevoll „Bin Schaaban“ tituliert.

Endlich spreche ihm jemand aus der Seele, meint der 19-jährige Türsteher eines Kairoer Bürogebäudes und zieht aus seiner Tasche das gerade neu erstandene Schaaban-Tape. Dabei deutet er auf das imitierte Goldkettchen an seinem Arm, das er wie sein großes Vorbild Schaaban trägt. Wie so viele will er keine der üblichen Lieder mehr über Liebe, Liebe und wieder Liebe hören. Denn eines spiegelt der ägyptische Kirmessänger mit seinen Songs sicher wider: die schlechte Laune auf der arabischen Straße.