Kerzen und Socken für den nahenden Tag X

In ganz Deutschland bereiten sich Friedensinitiativen auf den Tag des Kriegsbeginns vor. 160 Termine gibt es schon

BERLIN taz ■ Und dann werden sie marschieren. Sie werden ihre Waffen dabeihaben: Plakate, Kerzen, Spruchbänder und warme Socken. Sie werden demonstrieren, gegen den Irakkrieg, den Amerikas Präsident George W. Bush angekündigt hat.

In der gesamten Bundesrepublik sind lokale Aktionen für den Tag X angekündigt. Allerdings wird es keine zentrale Veranstaltung geben. „Zum einen gibt es am Tag eines Kriegsbeginns traditionell dezentrale Veranstaltungen. Zum anderen wissen wir noch nicht genau, wann Bush den Irak angreift. Da können wir eine Großveranstaltung nicht planen“, sagt Christian Golla vom Netzwerk Friedenskooperative. Die listet im Internet Termine in ganz Deutschland auf, damit jeder weiß, ob in seiner Stadt Demonstrationen unterstützt werden können. Zurzeit sind es schon über 160.

Die Kooperative ist hauptsächlich für die Vernetzung der Initiativen zuständig. „Die Menschen sollen zeigen, dass man, auch wenn ein Krieg schon sicher zu sein scheint, noch dagegen protestieren muss“, sagt Christian Golla. „Und wenn der Krieg da ist, müssen wir dafür demonstrieren, dass er schnell beendet wird.“ Am Samstag nach dem Tag X zieht die Friedensbewegung dann auch in die größeren Städte. Eine zentrale Kundgebung in Berlin sei allerdings noch nicht geplant, sagt Christian Golla, „darüber denken wir erst später nach“.

Wenn es so weit ist, wird er sich ans Telefon setzen und versuchen, alle Kriegsgegner nach Berlin zu bekommen: „Allerdings gibt es dafür kein festes Logistik-Procedere. Ich habe in meinem Schreibtisch keine Schublade ,Krieg‘, die ich dann einfach aufziehen kann.“

Die Arbeitsgemeinschaft Frieden (AGF) in Trier plant schon jetzt in größeren Dimensionen: überregional. Markus Pflüger von der AGF erwartet Menschen aus Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Hessen, wenn am Samstag eine Friedenskundgebung am Militärflughafen Spangdahlem in Rheinland-Pfalz mit anschließender Sitzblockade stattfindet. „Denn unsere Bundesregierung spricht sich zwar gegen einen Krieg aus“, sagt Markus Pflüger, „aber unterstützt ihn dann indirekt, indem deutsche Soldaten das Objekt Spangdahlem bewachen. Würde Deutschland den Amerikanern diesen Dienst nicht erweisen, könnten die US-Militärs weniger Soldaten in den Irak schicken.“

Seit Dienstag sitzt er am Telefon und spricht mit Initiativen, die sich an den AGF-Aktionen beteiligen wollen. Über Mangel an Interesse kann sich Pflüger nicht beschweren: „Zurzeit gibt es eine große Bereitschaft, sich zu engagieren. Aber so sehr ich mir das Gegenteil wünsche, ich glaube, dass diese Unterstützung nur kurzfristig sein wird. In ein paar Wochen wird der übliche Kreis von Friedensaktivisten übrig sein. Ich würde mich freuen, wenn dieser Kreis dann wenigstens ein bisschen größer als vorher wäre.“

Peter Strutynski, Friedensforscher und Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, dagegen glaubt, dass der Protest anhaltend und stark sein wird. Er rechnet sogar damit, dass zu dem Zeitpunkt, an dem der Krieg tatsächlich ausbricht, noch einmal sehr viel mehr Menschen auf die Straßen gehen werden als bisher: „Auch wenn man seit Monaten gesagt bekommt, dass der Krieg definitiv kommen wird, macht sich im Augenblick des Kriegsbeginns eine große Empörung Luft. Dann gehen die Menschen auf die Straßen.“ Und so wird es am Tag X in vielen Städten gleichzeitig, nämlich zwischen 17 und 19 Uhr, Demonstrationen gegen diesen Krieg geben. „Es ist in der Friedensbewegung eine stillschweigende Übereinkunft, dass man sich am Tag von großen Ereignissen trifft. Das muss gar nicht groß verkündet werden“, sagt Peter Strutynski.

SUSANNE KLINGNER

Termine: Schülerproteste in Bremen: www.jugend-gegen-krieg.de.vu; Kunst gegen den Krieg: www.imagesagainstwar.com; alle Veranstaltungen am Tag X: www.friedenskooperative.de/tag-x.htm oder www.tag-x.de