Vereinigte Krieger von Amerika
Paul Wolfowitz (59), Superhirn

Paul Wolfowitz ist ein brillanter Kopf. Viele halten den stellvertretenden Verteidigungsminister für das „Superhirn“ der Regierung, einen hochintelligenten strategischen Denker. Dabei zeigt er sich stets als ruhiger, nachdenklicher Analytiker und argumentiert mit sanfter Stimme bei aller Härte seiner Position. Der Sohn jüdischer Einwanderer aus Polen studierte Politikwissenschaften, promovierte und lehrte an der Yale-Universität, bevor er in Regierungsämter wechselte und für Pentagon und Außenministerium arbeitete.

Wolfowitz gilt als Drahtzieher der US-Pläne für den Krieg gegen den Irak. Er brachte schon eine Militäraktion ins Spiel, als Bush selbst noch nicht daran dachte. Manches ist inzwischen offiziell bestätigt, manches bleibt Spekulation. Vier Tage nach den Terroranschlägen rief Bush in Camp David seine wichtigsten Sicherheitsberater zusammen und erläuterte ihnen seinen Plan für den Antiterrorkrieg in Afghanistan. Wolfowitz zeigte sich unzufrieden und wies darauf hin, dass ein Einsatz nur in Afghanistan „zu kurzsichtig“ sei. Die größere Bedrohung gehe von Saddam Hussein aus, der nicht nur selbst Massenvernichtungswaffen besitze, sondern auch bereit sei, diese an Terroristen zu verkaufen. Sein Rat: ein Militärschlag gegen den Irak. Wie es heißt, war Bush zu diesem Zeitpunkt „noch nicht so weit“. Er gab Wolfowitz aber den dezenten Hinweis, er solle seine Vorstellungen „vorantreiben“.

Genau das hat Wolfowitz getan: beharrlich für seine Position geworben und schließlich gewonnen. Heute, sagen politische Beobachter, spiegelt sich ein Großteil seiner Ideen in Bushs Positionen wider. Moralismus und Grundoptimismus leiten ihn. Er glaubt daran, dass ein befreiter Irak die gesamte arabische Welt positiv beeinflussen werde.

Condoleezza Rice (48), Realpolitikerin

Condoleezza Rice gilt als Architektin von Bushs Außenpolitik. Bevor er sie im Dezember 2000 zur Nationalen Sicherheitsberaterin berief, arbeitete Rice als akademische Direktorin und Professorin für Politische Wissenschaften an die Elite-Kaderschmiede Stanford in Kalifornien. Spezialgebiete: Sowjetunion und Osteuropa. Ihre Expertisen nutzte bereits Bush senior, den sie zwischen 1989 und 1991 in Sachen deutsche Wiedervereinigung und Transformation in Osteuropa beriet.

Als Sicherheitsberaterin koordiniert Rice das Zusammenspiel von Pentagon, Außenministerium und Geheimdienst. Angetreten als nüchterne Realpolitikerin, um ausschließlich Amerikas Sicherheitsinteressen zu vertreten, war sie lange überzeugt, dass es nicht Aufgabe der US-Außenpolitik sei, sich am „Nation Building“ zu beteiligen. Länder sollten ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Doch seit dem 11. September argumentiert sie verstärkt moralisch. „Die Welt soll nicht nur sicherer, sondern auch besser werden“, fordert sie. Nun gelte es Länder von Tyrannen zu befreien und Demokratie zu exportieren.

Den wohl wichtigsten Einfluss auf ihr heutiges Denken übte ihr intellektueller Mentor Professor Josef Korbel an der Universität von Denver aus, wo sie sich während ihres Studiums auf sowjetische Politik spezialisierte. Korbel, tschechischer Emigrant und Vater der späteren Außenministerin Madeleine Albright, war Sowjetunion-Experte und galt als eingefleischter Hardliner. Rice war oft bei den Korbels zum Abendessen eingeladen, wo stundenlang über Politik debattiert wurde. Anders als die junge Madeleine machte sie sich die Schule kühler Machtpolitik zu eigen: Primat der Außenpolitik und Vorrang nationaler Interessen. „Alles, was zählt ist Macht“, sagt sie heute. Umweltschutz und Menschenrechte stören dabei nur.

Dick Cheney (62), Ölmillionär

In den vergangenen Monaten hielt sich Vizepräsident Dick Cheney auffällig im Hintergrund. Für den Gang nach Bagdad sind sein Chef, Rumsfeld und Powell zuständig. Gelegentlich wurde gespottet, er befände sich wohl mal wieder im Bunker, so wie nach dem 11. September. Tagelang musste er an einem sicheren, unbekannten Ort verbringen, um im Notfall Präsident Bushs Amtsgeschäfte übernehmen zu können. Andere schrieben die mediale Abwesenheit Cheneys Herzschwäche zu. Vier Bypass-Operationen hat er hinter sich, zu viel Aufregung muss vermieden werden.

Cheney stand allerdings im vergangenen Jahr unfreiwillig lange im Blickpunkt der US-Öffentlichkeit, als sein Name im Zusammenhang mit dem Enron-Skandal fiel. Nachdem er unter Bush Senior und im Golfkrieg 1991 als Verteidigungsminister gedient hatte, machte er sein Glück im Ölgeschäft. Er wurde Chef der texanischen Firma Halliburton, dem weltgrößten Hersteller von Bohrtechnologie, strich Staatsgarantien für Risikogeschäfte und Regierungsaufträge in Milliardenhöhe ein.

Bevor ihn Bush Junior in sein Kabinett berief, wurde er mit einer Millionenabfindung belohnt und verkaufte rechtzeitig Firmenaktien – mit hohem Gewinn. Nach dem Enron-Skandal standen raffgierige Firmenchefs am Pranger, auch Cheney musste sich unangenehmen Fragen zu Unternehmensethik und Insiderhandel stellen.

Cheney ist damit auch eine beliebte Zielscheibe der Umweltbewegung. Er konzipierte Bushs Energiepolitik – eine Verbeugung vor der Öl- und Energiewirtschaft der USA. Und schließlich war er es, der während einer Rede vor Kriegsveteranen im letzten Sommer den transatlantischen Streit in der Irakkrise gewissermaßen entfachte. Cheney brüskierte die Partner in Europa, indem er bereits damals einen Präventivschlag ankündigte und ihre Vorbehalte als „unlogisch“ abkanzelte. Jetzt, wo die USA den Irak angreifen, könnten sich die guten Geschäftskontakte von Dick Cheney wieder bezahlt machen. Die amerikanische Entwicklungsbehörde USAID hat bereits Millionenaufträge für die Erneuerung der irakischen Infrastruktur ausgeschrieben. Zu den Bewerbern gehört auch Halliburton.

Donald Rumsfeld (71), Hardliner

Das Time Magazine kolportiert eine Anekdote, nach der Exaußenminister Henry Kissinger gegenüber republikanischen Parteifreunden einmal geäußert haben soll, von all den Despoten, mit denen er sich jemals habe herumschlagen müssen, sei niemand so rücksichtslos wie Donald H. Rumsfeld. Diesem Ruf ist der Verteidigungsminister bislang voll gerecht geworden.

Rumsfeld legte sich seit Beginn seiner Amtszeit mit den Generälen im Pentagon an. Oft gegen den Willen der Militärs und ohne Konsultationen bastelte er hinter verschlossenen Türen mit einem kleinen Beraterstab an der schon im Wahlkampf angekündigten Reorganisation der US-Streitkräfte und der weltweiten Kommandostruktur.

Eines seiner Lieblingsprojekte ist die abgespeckte Variante des – auch innerhalb des Pentagon – höchst umstrittenen Raketenabwehrsystems „Star Wars Light“. Nach der Aufkündigung des ABM-Vertrags durch die USA können nun Raketentestprogramme und Forschungen ungehindert weiter vorangetrieben werden.

Auf der internationalen Bühne trieb er das Bush-Motto „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“ zur Perfektion und sicherte sich in der Irakfrage den Zorn widerwilliger Europäer.

Gemessen an Erfahrung gibt es eigentlich kaum jemanden, der sich besser mit den Spielregeln von Politik und Wirtschaft auskennt. Rumsfeld hat auf allen Ebenen der Regierung, des Parlaments und der Industrie gearbeitet. Er war Abgeordneter im Kongress, US-Botschafter bei der Nato, Stabschef im Weißen Haus, Vorstandsvorsitzender und schon einmal Pentagonchef von 1975 bis 1977 – der jüngste in der US-Geschichte.

Er ist entscheidungsstark und routiniert. Doch Konsens und Kompromiss sind nicht seine Sache. Je erhitzter die Debatte um einen Irakkrieg wurde, umso mehr entwickelte sich der einst als „sexy Rumsfeld“ gefeierte 71-Jährige, dessen unterhaltsame Pressekonferenzen zu Medienereignissen wurden, mit seinen verbalen Entgleisungen zum belastenden Faktor. Manche in Washington würden ihn daher lieber in Rente schicken.

Colin Powell (65), Vollstrecker

Verwundert blickten manche auf den unnachgiebigen, energischen und zuweilen ungeduldigen Außenminister Colin Powell, wenn er im UN-Sicherheitsrat für ein Ultimatum an Saddam Hussein und eine neue Resolution, die den Krieg legitimieren sollte, warb. Es passte so gar nicht zu dem gewohnten Bild des ruhigen und gelassenen Diplomaten, dessen Verdienst es ist, US-Präsident Bush von der Kooperation mit der UNO überzeugt zu haben.

Dies- und jenseits des Atlantiks wird jedoch übersehen, dass auch Powell wiederholt einen Regimewechsel im Irak gefordert hatte. Nur vertrat er stets andere Vorstellungen über Mittel und Zeitplan. Ihm war klar, dass er Bush und seine Falken nicht hätte stoppen können, früher oder später den Marschbefehl in den Irak zu erteilen. Alles, was er erreichen konnte, war, einer möglichen Invasion das Mäntelchen der UNO umzuhängen. Geschickt verhandelte er die Resolution 1441, die einstimmig angenommen wurde und nach seiner Lesart bei fortgesetzter Abrüstungsverweigerung des Irak einen Krieg sanktionierte. So ist Powell beides: Vollstrecker und Korrektor der Bush-Politik.

Der populärste amerikanische Politiker war schon immer ein Meister des doppelten Spiels. Europas und Amerikas Liberale feiern ihn als ihren Verbündeten, die Konservativen halten ihn für einen Weichling und reden abfällig vom Multilateralisten. Wer ihn vor Monaten bei einem MTV-Interview gesehen hat, wie er sich den Fragen Jugendlicher stellte und mit ihnen über Aids, Sex, Abtreibung und Krieg sprach, versteht, warum die Rechten in den USA ihn verachten. Der Republikaner und Vier-Sterne-General a. D. befindet sich oft im Widerspruch zu seinem Dienstherrn. Als er sich im Sommer 2002 für die Rückkehr der Inspektoren in den Irak stark machte, stellte er sich offen gegen die Haltung der Hardliner, die vor der „Inspektorenfalle“ warnten.

Powell befürwortet das Recht auf Abtreibung und die „positive Diskriminierung“ von Minderheiten bei der Hochschulzulassung, sodass die konservative Presse schon oft laut über seinen Rücktritt sinnierte. Doch Bush weiß, dass der „De-facto-Demokrat“ (New York Times) der „Konservative mit Herz“ im Kabinett ist, der Bush gern hätte sein wollen – und daher ein unverzichtbarer Bestandteil.

Der Sohn jamaikanischer Einwanderer wurde mit dem Golfkrieg 1991 als erster schwarzer Chef der US-Streitkräfte berühmt. Damals entwickelte er die als „Powell-Doktrin“ bekannt gewordenen militärischen Prinzipien: Kämpfe nur Kriege, die zu gewinnen sind; sichere dir öffentliche Unterstützung; hab eine Auswegstrategie. Bei den letzten beiden Punkten scheint er diesmal seine eigenen Maximen zu verletzen.