Eine Fürbitte wird zur Anklage

Beim Thema Irakkrieg wird der Papst noch einmal zum zornigen alten Mann

ROM taz ■ Wenige Worte nur hatte der Papst vergangenen Sonntag während der Messe auf dem Petersplatz zum Krieg im Irak. Er wandte sich an die „hochheilige Madonna“, um von ihr „das Geschenk des Friedens zu erflehen“. Doch was wie eine simple Fürbitte klang, war als Anklage gemeint – dafür sorgte Johannes Paul II. mit seinem Auftritt. Da saß nicht der mit verwaschener, kaum verständlicher Stimme murmelnde Greis, an den wir uns in den letzten zehn Jahren gewöhnt haben, sondern ein zorniger alter Mann voll Energie, der fast drohend Wort für Wort skandierte.

Wem die Drohung gilt, ist bekannt: Seit Beginn der Irakkrise hat der Vatikan entschieden gegen George W. Bush Position bezogen, haben der Papst und die Kurienkardinäle den Krieg als „Verbrechen gegen die Menschheit“ gegeißelt, hat Johannes Paul II. seinen Urhebern in Aussicht gestellt, sie müssten sich vor keinem Geringeren als „vor Gott verantworten“.

Kalt ließ diese Warnung zwar Präsident Bush, der seinen ganz persönlichen Draht nach oben hat; durch die Kirche in Italien aber ging ein ähnlicher Ruck wie durch den Papst selbst. Denn diesmal sind es nicht nur die Basiskatholiken von den Pfadfindern, den Dritte-Welt-Gruppen, vom „Lilliput“-Netz, die sich in der Friedensbewegung engagieren. Diesmal sind die Hierarchien mit dabei: Bischöfe marschieren vorneweg auf Demos mit, ganze Diözesen ließen zum Kriegsausbruch die Glocken läuten, quer durchs Land wurde in den Pfarreien die Regenbogenfahne der Friedensbewegung aufgezogen, stand und steht der Krieg im Mittelpunkt der Predigten. Johannes Paul II. ruft derweil vor allem zum Gebet – doch auch die Protestler haben seinen Segen: Als am 15. Februar 2 bis 3 Millionen Menschen in Rom demonstrierten, titelte der Osservatore Romano: „Das sind die Divisionen des Papstes.“

Den Krieg konnten sie nicht verhindern, wenigstens einen aber setzen sie schwer unter Druck: Silvio Berlusconi. Der hatte vor zwei Jahren die Wahlen nicht zuletzt gewonnen, weil er eine klare Mehrheit der katholischen Wähler auf seine Seite ziehen konnte und weil er die offene Unterstützung des Klerus genoss. Diese Wähler sucht der Ministerpräsident jetzt mit der Auskunft zu beschwichtigen, Italien sei doch „gar nicht kriegführend“. Doch er steht weiter treu und fest an der Seite von Präsident Bush.

Zugleich setzt die Berlusconi-Propaganda darauf, den „respektablen Pazifismus“ der Katholiken gegen die angebliche Saddam-Freundschaft der Linken abzusetzen; doch die Katholiken zeigen sich bisher herzlich unbeeindruckt von diesen Versuchen, die Friedensbewegung auseinander zu dividieren.

MICHAEL BRAUN