tv-tagebuch
: Ein arabisches TV-Tagebuch: Der Schriftsteller Sélim Nassib über den Irakkrieg aus der Perspektive von al-Dschasira

Papa Saddam schützt die Seinen vor den Bösen

Saddam Hussein tritt auf, um zu zeigen, dass er immer noch lebt, danach kommen die beiden Vizepräsidenten, Tarik Asis und Taha Jassin Ramadan, der Minister für Handel, der für Information und der Sprecher des Verteidigungsministers.

Ihre Pressekonferenzen werden, eine nach der anderen, in extenso übertragen, und man kommt sich vor, als ob man irakisches Fernsehen ansehen würde.

„Warum liefern die arabischen Regimes auch weiterhin Öl an die Angreifer?“, fragt Vizepräsident Ramadan. „Warum schließen sie nicht Ihren Luftraum, ihr Territorium und ihre Meere, so wie das andere nicht-arabische Länder getan haben? Warum schließen sie nicht die amerikanischen und britischen Botschaften, anstatt auf wütende Demonstranten zu schießen, die die Botschaften anzugreifen versuchen? Es ist genau das Gegenteil dessen, was geschieht: Irakische Diplomaten werden ausgewiesen, wie in Jordanien. Was sagen diese arabischen Verantwortlichen ihren Familien und ihren Völkern, was werden sie vor der Geschichte sagen?“

Die Bilder von bewaffneten Demonstranten, die in den Straßen von Basra tanzen, um Saddam Hussein zu unterstützen, gehen in die gleiche Richtung. „Die arabischen Regierungen müssen sich hinter ihre Völker stellen, um den Widerstand der Iraker zu unterstützen, die für uns alle, die Araber, kämpfen“, verkündet ein auswärtiger Kommentator im Fernsehsender. Nichts in den Analysen oder den hauseigenen Reportagen schafft zu dieser Vision ein Gegengewicht.

Auch die Pressekonferenz von Tony Blair wird in voller Länge übertragen. Doch was der britische Premierminister sagt, macht keinen Sinn. Es ist ganz offensichtlich, dass etwas fehlt. Ausgewogene Analysen, unterschiedliche Lesarten, die Erwähnung der Notwendigkeit einer Demokratisierung der arabischen Welt und das Erwachen der Zivilgesellschaft sind aus dem Diskurs verschwunden. Warum stellt man nicht einen einzigen Aufruhr gegen Saddam im schiitischen Süden fest? Ist es, weil die Bevölkerung das Regime unterstützt oder weil sie von ihm terrorisiert wird?

Erinnern sich die arabischen Fernsehzuschauer, dass dieselben Schiiten – seinerzeit offen dazu von den Amerikanern aufgefordert – sich während des Golfkrieges von 1991 erhoben haben, bevor sie aufgegeben und einem Massaker ausgeliefert wurden? Wie können die Iraker aufmucken, solange ihr blutiges Regime die Situation zu kontrollieren scheint?

Doch diese Art von Fragen stellt al-Dschasira nicht, sondern bestärkt sein Publikum implizit in einer Sichtweise, die 50 Jahre alt ist: Die Araber werden angegriffen (und wehren sich) als gesamte Gemeinschaft, und Saddam Hussein erscheint quasi als Familienvater, der die Seinen gegen die Bösen schützt.

SÉLIM NASSIB

Der libanesische Schriftsteller und Journalist Sélim Nassib lebt und arbeitet seit 1969 in Paris. In einer Kolumne für die Libération, El País und die taz vergleicht er die Kriegsberichterstattung des arabischen Nachrichtensenders al-Dschasira mit der Darstellung auf anderen Sendern, etwa CNN und BBC