Beats statt Bomben

Mit Dr. Motte und Tanith gegen den Krieg zu demonstrieren ist wie die allererste Love Parade. Rainald Goetz agitiert, und auch ein aramäisches Vaterunser hat Platz

Die berühmten Berliner Techno-DJs Dr. Motte, West-Bam, Tanith, Mitja Prinz und Woody riefen unter dem Motto „No War Nowhere“ am Dienstagabend zur Friedensdemo mit anschließender Party auf. „Zuerst agitieren wir euch mit Ansprachen und Revolutionsmusik, und wenn die Stimmung ordentlich aufgeladen ist und alle schön gewaltbereit sind, ziehen wir an der Ami- und englischen Botschaft vorbei und wieder zurück zum Schlossplatz“, hieß es lustig in dem Text, der wohl etwas zu spät verbreitet worden war. Um fünf Uhr abends, als die Veranstaltung beginnen sollte, war abgesehen von einigen Journalisten, zehn Polizeiwannen und ein paar Leuten, die am Technolaster herumwerkelten, kaum jemand da. Eine Viertelstunde später waren es schon zehn, von denen Einzelne dann auch wieder gingen, weil John Lennon die üblichen Lieder sang. Die Friedensaktivistin Eva Quistorp, die früher mal im Bundesvorstand der Grünen saß, war extrem aufgedreht und redete ununterbrochen auf einen ein. Es ging um angenehme und unangenehme Demonstranten – Kaderdemonstranten seien eher unangenehm –, Farbsymboliken und darum, dass kleine Demos auch viele Vorteile hätten, weil es ja nicht so anonym und man selbst nicht so verloren ist. Sie trug ein Schild, auf dem „No more Bushit“ stand, und begrüßte erfreut eine australische Technofriedensaktivistin aus Italien.

Es war kalt, und die schöne Sonne ging langsam unter. Um sechs standen vielleicht hundert Leute vor dem Truck. Manche trugen Sonnenbrillen, rollten Joints, bastelten Demoplakate oder hatten sich Rollerblades angezogen. Eine Polizistin schrieb sich die Slogans auf, um zu gucken, ob etwa „Bomb Texas – they also have oil“ von strafrechtlicher Relevanz sei. West-Bam, sein kleiner Mops und der Friedens-Dichter Rainald Goetz hatten sich „Not in my name“-Dinger angeklebt. Fernsehgucken sei zurzeit erste Bürgerpflicht, sagte Rainald Goetz. Nana Yuriko hielt eine Rede, in der sie beschrieb, was sie mit dem Geld machen würde, das im Krieg gerade verpulvert wird.

Mottes Friedensset, das mit einem Suicide-Stück begann, war eher housig, West-Bams Set sehr funky. Der schwergewichtige Africa Islam sah klasse aus und sangrappte dazu. Immer wieder „No war“, „Brothers and sisters“, „Stop the motherfucking Bush, we are the motherfucking people“. Die Stimmung war großartig. Die Leute tanzten und hüpften mit Plakaten, auf denen „Brot statt Böller“, „Liebe statt Hiebe“ oder „Ich wünsch mir Frieden“ stand. Dr. Motte hielt eine unbeholfene Rede. Seine Unbeholfenheit wirkte aber angenehmer als die wasserdichte Rhetorik üblicher Demoreden.

Erst sagte die Polizei, die Demo dürfe nicht losgehen, weil weniger als 200 Leute da seien. Später waren es doch zweihundert, die hinter dem Truck mit lauter Technomusik für den Frieden demonstrierten. An der PDS-Mahnwache bei der Amerikanischen Botschaft riefen manche „Stasi raus!“. Am Ende sprach Dr. Motte eine aramäische Version des Vaterunsers. Die Demo war super und erinnerte ein bisschen an die erste Love Parade.

DETLEF KUHLBRODT