Friedenskanzler will sich bewaffnen

Der Irakkonflikt entfacht eine Debatte neu, die man schon abgeschlossen glaubte: Kanzler Schröder will mehr Geld für die Bundeswehr. Nicht nur grüne Politiker widersprechen der Idee, auch Verteidigungsminister Struck will keinen höheren Etat

von MATTHIAS BRAUN

Je mehr die Irakkrise zu einem Krieg eskalierte, desto fantasievoller wurde über das internationale Machtgefüge nach dessen Ende spekuliert. Im Spiegel unkte der französische Historiker Emmanuel Todd unlängst über den Niedergang der Weltmacht Amerika. Und der Chef des Auswärtigen Ausschusses der russischen Duma, Dimitri Rogosin, fantasierte in der Welt eine „eurasische Union“ aus Frankreich, Deutschland und Russland herbei.

Kanzler Gerhard Schröder (SPD) hat nun in einem Zeit-Interview die im Raum stehende Frage aufgegriffen und einen innenpolitischen Zankapfel in den Ring geworfen. „Es gibt nicht zu viel Amerika, es gibt zu wenig Europa“, lautet seine These. Wer für sich in Anspruch nehme, Nein zu sagen wie im Falle Irak, der müsse sich in die Lage versetzen, etwas aus eigener Kraft zu leisten, sagte Schröder. Insofern müsse man über die Finanzierung der Bundeswehr reden.

Die von Schröder gesetzte Duftmarke wurde in Berlin gestern umfänglich beschnüffelt und verbellt. Seitens der Grünen lehnten Parteichefin Angelika Beer und Umweltminister Jürgen Trittin es ab, den Wehretat zu erhöhen. Beer nannte die Debatte „vollkommen überflüssig“. Man könne nicht Sozialleistungen kürzen und gleichzeitig dem Militär mehr Geld geben. Trittin sagte, statt einer Etaterhöhung müsse die Umstrukturierung der Bundeswehr vorangetrieben werden. Der knappe Etat übe „heilsamen Reformdruck“ aus.

Interessanterweise will auch Verteidigungsminister Struck auf zusätzliches Geld verzichten. Die Bundeswehrreform will er finanzieren, indem die Truppe ihre Betriebskosten senkt. Für ihn bleibe es beim geplanten Finanzrahmen, sagte Struck gestern. Dieser sieht bis 2006 jährlich 24,4 Milliarden Euro vor.

Dabei ist es noch nicht einmal ein Jahr her, dass die Rollen zwischen Schröder und Struck anders verteilt waren. Im Sommer letzten Jahres hatte Struck sich bemüht, mehr Geld für sein Ressort herauszuschlagen. Sein oberster Dienstherr antwortete ablehnend. „Ich glaube, dass das Geld für die Streitkräfte, wie es in der mittelfristigen Planung steht, ausreicht“, beschied der Kanzler damals. Und er forderte Struck auf, die Bundeswehrreform auch ohne Anschubfinanzierung fortzusetzen. Im letzten Herbst ließ sich Struck dann von seinem Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan ein erstes Sparpaket schnüren.

Welche Halbwertszeit der Schröder-Vorstoß auch immer haben wird, klar ist: Angesichts des Irakkrieges und seiner weltpolitischen Begleiterscheinungen wächst der Reformdruck auf die Armee. Nicht zu Ende diskutiert sind die Themen Wehrpflicht und Truppenstärke. Die „verteidigungspolitischen Richtlinien“ der Bundeswehr, in denen Sinn und Zweck der Armee formuliert sind, wurden zuletzt vor zehn Jahren neu formuliert. Gerhard Schröder hat all diesen Baustellen nun eine weitere hinzugefügt, die man innerhalb seiner Regierung schon glaubte verlassen zu haben.