Das Geheimnis der morphischen Resonanz

Längst könnte ihn eine Bombe getroffen haben, doch Saddam Hussein präsidiert trotzig weiter. Das gibt alten Gerüchten über angebliche Diktatoren-Doubles nur neuen Auftrieb. Bei deutschen Doppelgänger-Agenturen allerdings ist keine erhöhte Nachfrage nach Saddam-Doubles zu verzeichnen

von HELMUT HÖGE

Die Doppelgänger-Agenturen in Deutschland haben zwar meist einen oder gar zwei Saddam Husseins in ihrer Kartei. Dieser wird jedoch, ebenso wie ihre Adolf-Hitler-Doppelgänger, so gut wie nie verlangt. Daran hat sich auch seit dem Irakkrieg nichts geändert. Bei einer Bonner Doppelgänger-Agentur vermutet man, dass es politisch zu brisant sei: „Das Einzige, was in der Richtung mal verlangt wurde, war ein Ghaddafi-Double“.

Am besten gehen dort immer noch die Doppelgänger von Showstars, die singen, tanzen oder steppen können. Manchmal werden diese Lookalikes auch von den publicitymüden Stars selbst engagiert. Bei Saddam Hussein nimmt man aber an, dass er dies eher aus Sicherheitsgründen tut.

Auch bei Hitler gingen 1945 viele davon aus, dass er einen Ersatzführer im Bunker hatte verbrennen lassen, um desto sicherer nach Südamerika zu entkommen. Kurz zuvor hatten es bereits zwei seiner berüchtigsten Anführer von Killerkomandos, Oskar Dirlewanger und General Krasnow, zu jeweils zwei eigenen Gräbern gebracht – wobei das Erstere jeweils von ihrem Stab angelegt worden war, um ihnen die Flucht zu erleichtern.

Auch Stalin soll – zu Lebzeiten – etliche Doppelgänger verschlissen haben: Unzählige Sowjetbürger gingen davon aus, dass so mancher öffentliche Stalinauftritt aus Sicherheitsgründen von einem Double abgeleistet wurde. Bei Bush dagegen kommt dieser Verdacht nicht so leicht auf, weil es sofort – ähnlich wie Watergate und Lewinsky – auffliegen würde. Einem diktatorischen Regime traut man da entschieden mehr zu. Doch erinnere man sich nur an die erste Mondlandung: Sie wurde vom Fernsehen übertragen, und in China waren anschließend viele Leute davon überzeugt, dass die Amis diese Landung gefaket, nämlich in einem Hollywood-Studio gefilmt hatten. Bei einer gründlichen Analyse der Bilder entdeckten die Leute dann immer mehr Hinweise darauf.

Der politische Gegner lässt sich eben nicht bluffen. So ist es jetzt auch mit Saddam: Längst könnte ihn eine Bombe getroffen haben oder er die Flucht aus Bagdad angetreten haben und auch ein Doppelgänger nach dem anderen bereits draufgegangen sein. Aber nach wie vor präsidiert er vor laufenden Kameras und gibt Durchhalteparolen aus. Wenn man das zweifelsfrei entlarven könnte, dann würde der irakische Widerstand gegen die US-Invasion heftig ins Wanken geraten – vorausgesetzt die widerständigen Iraker glauben den Bild-Entlarvern, was jedoch mehr als fraglich ist. Deswegen schaden solche CIA-Hypothesen nicht dem Feind, sondern den Verbündeten und den Neutralen, die sich plötzlich mit solch einem Unsinn auseinandersetzen müssen. So gibt es bereits über 15.000 Internet-Einträge, die sich mit dem Phänomen der „Saddam Hussein Lookalikes“ befassen.

Ayas, meine Nachbarin, die aus dem Irak stammt, kann diese ganze Aufregung überhaupt nicht verstehen: „In Bagdad sehen doch alle Männer mit Schnurrbart genauso aus wie er – und umgekehrt! Seine republikanische Garde hat sogar ein ganzes Altgedienten-Bataillon, in dem jeder Soldat sein Aussehen angenommen hat.“

Das scheint auf morphischer Resonanz zu beruhen. So stammen ja alle Doppelgänger der englischen Königsfamilie aus London, alle Hitlers aus Deutschland und alle Otto-Doubles aus Ostfriesland. Und das kann auch gar nicht anders sein, weil es die jeweilige Kultur ist, die noch jedesmal die entsprechenden Charaktermasken ausgeprägt hat, meint sie. „Was meinst du, wie viele tausend Madonnas allein in den Vorstädten Amerikas rumlaufen?!“

Die Frage sei aber doch, gebe ich zu bedenken, ob man all diese Schnurrbartmänner in Bagdad als Saddam-Doppelgänger im Fernsehen einsetzt?! Davon will sie nichts wissen: „Das würde da doch jeder sofort sehen. Wenn es irgendwo auf der Welt wirkliche Saddam- und Saddam-Doppelgänger-Experten gibt, dann doch wohl in Bagdad. Die können da sogar ihren Saddam am Morgen von dem am Mittag und dem am späten Nachmittag unterscheiden, wenn es drauf ankommt“.