Image mit Slips

Rezepte, Gürtel, Unterwäsche: Der Bundesnachrichtendienst geht mit Kochbuch und Devotionalien in die Offensive für den guten Ruf

von OTTO DIEDERICHS

Im Allgemeinen gelten Schlapphut und Regenmantel als die traditionellen Bekleidungsstücke für den Geheimdienstler. Doch wie kleidet sich ein Spion wirklich? Wie über so vielen Dingen in dieser Schattenwelt lag auch über dieser Frage lange der Schleier des Geheimnisses. Lediglich von James Bond, jener international bekannten Agentenlegende im Auftrag Ihrer (britischen) Majestät, ist bekannt, dass er in jedem Outfit eine so gute Figur abgibt, dass auch der Blick auf seine Unterwäsche nie peinlich wird. Seit kurzem wissen wir nun, dass ihm auch seine deutschen Vettern vom Bundesnachrichtendienst (BND) bei ihren Feldeinsätzen in dieser Beziehung in nichts nachstehen müssen.

Wer Interesse hat, dem stehen in einer hausinternen Boutique schwarze Baumwollslips mit Aufschriften wie „Amtlich geheim gehalten“, „Nur für den Dienstgebrauch“ oder „Verschlusssache“ zur Verfügung. Gestickt mit silbernem, blauem und rotem Garn, sind damit die amtlichen Stempel nachgeahmt. Ähnliche Dessous made by BND für die Kolleginnen sind bis auf weiteres jedoch nicht geplant.

Diese Informationen sind Teil einer neuen Kampagne, mit der der deutsche Auslandsgeheimdienst seit einiger Zeit sein Image aufzupolieren sucht. Wenn der BND im Herbst den Umzug seiner Auswertungsstelle in die ehemalige Gardeschützenkaserne im Berliner Stadtteil Lichterfelde abgeschlossen hat, soll ein „BND-Shop“, der bislang nur Mitarbeitern vorbehalten ist, auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Ob Schlüsselanhänger oder Manschettenknöpfe, Gürtel und Mützen oder Schirme, Taschenmesser oder selbst Golfbälle mit dem BND-Emblem – alles, was gegenwärtig nur unseren Geheimen Freude macht, soll man dann in Lichterfelde erstehen können.

Eingeleitet wurde diese hierzulande bisher ungewöhnliche Offensive für den guten Ruf bereits in der Mitte des Jahres 1996 durch den damaligen BND-Präsidenten Hansjörg Geiger. Kurz vor seinem Dienstantritt hatte der BND seinerzeit gerade die „Plutoniumaffäre“ und einige heftige interne Grabenkämpfe seiner Führungsclique mit Ach und Krach überstanden. Die Behörde müsse endlich „raus aus den Schlagzeilen“ und brauche eine neue Motivation, verlangte daraufhin der Geheimdienstkoordinator in Helmut Kohls Kanzleramt, Bernd Schmidbauer.

Dafür schien Hansjörg Geiger, der einst bei der Gauck-Behörde die Geheimnisse der Stasi aufgedeckt hatte, genau richtig. Nach seinem Wechsel auf den Sessel des Präsidenten im Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz hatte Geiger nämlich rasch festgestellt, dass es zwischen „rechtsstaatlichen“ und unrechtsstaatlichen Geheimdiensten erhebliche Unterschiede gibt. „Wir müssen uns nicht verstecken“, lautete seither seine populistische Devise.

Kaum im Amt, ließ Geiger daher sogleich ein großes Schild mit der Aufschrift „Bundesnachrichtendienst“ am Pullacher Eingangstor anbringen, damit im Isartal jeder auch offiziell lesen konnte, was er ohnehin schon gewusst hatte. Anschließend machte der publikumswirksame BND-Präsident auch gleich noch einen Antrittsbesuch bei der Pullacher Bürgermeisterin und stellte sich dem Gemeinderat vor, lud Journalisten zu einer Besichtigung des Lage- und Informationszentrums – also des BND-Nervenzentrums – und dann alljährlich zu einem Symposium ein. Im Zeichen der „neuen Offenheit“ legten die Mitarbeiter der BND-Pressestelle Ende der Neunzigerjahre sogar ihre bisherigen Tarnnamen ab.

Nun hat August Hanning, Geigers Nachfolger und damit neunter Präsident des BND, also mit einem weiteren Tabu gebrochen. Hanning, der im Dienst gern eine Krawatte mit dezent eingewebtem BND-Logo trägt, gilt offiziell als der Entdecker des neuen „Einsatzgebiets“ Devotionalien. Wirklich neu ist die Idee jedoch nur in der Bundesrepublik. In den USA bieten der Geheimdienst CIA und die Bundespolizei FBI derartige Produkte bereits seit längerem nicht ohne Erfolg an.

Selbst der altehrwürdige britische Scotland Yard stärkt mit Devotionalien die eigene Corporate Identity und bietet zudem den Bürgern die Möglichkeit, sich mit dem Dienst zu identifizieren. Auch wem es dabei nur um den Jux geht, der bringt doch zumindest Geld in die Agentenkassen. Dass im Rahmen der geheimdienstlichen Arbeit nicht nur gegnerische Dienste „abgeschöpft“ werden, sondern auch ganz gern bei so genannten befreundeten Diensten gewildert wird, ist in diesem Milieu durchaus üblich. Warum also sollte in Deutschland nicht gelingen, was bei den Kollegen in Amerika und Großbritannien so gut funktioniert?

Und so musste selbst Markus Wolf, der große Stasigegenspieler aus der alten Zeit, noch als Ideenlieferant für die neue Imagekampagne des BND herhalten. In seinem Ruhestand verbringt der Spionagerentner seine Zeit heute gern damit, Kochbücher zu verfassen. Die Idee haben ihm nun die Pullacher Dunkelmänner und -frauen geklaut und kochen ihre Süppchen ebenfalls nicht mehr nur im Verborgenen. Mit „Topf Secret – Die ‚Geheimrezepte‘ des Bundesnachrichtendienstes“ brachten sie im vorigen Jahr das erste Kochbuch des BND auf den Markt. Für 19,80 Euro dürfen jetzt insgesamt achtzehn Rezepte nachgekocht werden, die BND-Agenten bei ihren weltweiten Einsätzen von Algerien bis Zentralafrika zusammenspioniert haben. Für 45 Euro erhält man gleich noch eine passende BND-Kochschürze dazu.

„Ich gestehe, die Rezepte noch nicht alle ausprobiert zu haben – die Schürze aber haben mein Mann und ich schon erprobt und für gut befunden“, lobt Ruth Hanning, die First Lady des BND, das nicht gerade preiswerte Textil aus der Pullacher Undercover-Boutique. Offenbar hat kaum einer der Agenten im geheimen Gourmetauftrag die Informationen über Ernährungsgewohnheiten anderer Völker vor der diskreten Weitergabe an die Zentrale auf vollständige Überlieferung geprüft.

Beim Nachkochen ist daher eine gewisse Erfahrung in der Fertigung von Mahlzeiten durchaus hilfreich, denn notwendige Vorbereitungshandlungen oder Mengenangaben fallen bei den Kochanleitungen von „Topf Secret“ nicht selten recht spärlich aus. Wem solche Vorkenntnisse fehlen, der muss davon ausgehen, dass ein original bosnisches „Muckalica“ aus ungeschälten Zwiebeln bereitet wird. Auch die Information „einen Löffel Senf dazugeben“ ist angesichts der Fülle verschiedener Senfsorten mehr als unvollständig.

Wenig hilfreich ist auch die Angabe im Rezept für „Bob Chorba po Manastirski“, das der Kollege im benachbarten Bulgarien erlauscht hat. „Frisches Wasser hinzufügen“, heißt es dort lediglich, und schon stehen ungeübte AnfängerInnen wieder vor der Frage: Wie viel? Ganz kläglich versagt hat die BND-Außenstelle in Kanada bei ihrem Rezept für „Maple-Glazed Salmon“. Dass dieser Lachs üblicherweise auf einem gut eingeölten Zedernholzbrett gebraten wird, ist in der Fußnote immerhin noch erwähnt. Die daran anschließende Aussage, ein solches Brett sei in unseren Breiten „nicht leicht zu beschaffen“, sollte einen nachrichtendienstlichen Beschaffer allerdings auch außerhalb der Küche für jede weitere Aufgabe eindeutig disqualifizieren. Geradezu jämmerlich ist dann der abschließende Rat, zur Not lasse sich auch ein beschichtetes Backblech verwenden, „dann fehlt allerdings das leichte Nadelholzaroma“. Die „Geheimrezepte“ vor der Veröffentlichung vom Personal der Kantine überprüfen zu lassen, wäre durchaus möglich und sinnvoll gewesen.

Nahezu zwangsläufig drängen sich bei der Lektüre angesichts so vieler Informationslücken in den Rezepten von „Topf Secret“ plötzlich all die zurückliegenden Pannen und Skandale des Auslandsdienstes zwischen die Zeilen. Ob ähnliche Wissenslöcher wohl auch im Archiv des Nachrichtendienstes zu finden sind? Die Antwort auf diese Frage liefern jene Seiten des Buchs, die kurzen und durchweg belanglosen Histörchen aus dem Agentenleben gewidmet sind. Da sie für sich in Anspruch nehmen, unbedingt wahr zu sein, kommt den folgenden Sätzen somit besondere Beweiskraft zu: „Seit je“, so ist zu erfahren, „haben Menschen Methoden entwickelt, um vertrauliche Mitteilungen so zu verändern, dass diese – sollten sie in die Hände Unbefugter geraten – nicht ohne weiteres verstanden werden konnten.“ Und für den BND sei die „Verschlüsselung von Botschaften mittels Geheimschriften und -codes ein unverzichtbares alltägliches Arbeitsmittel“.

So wie es aussieht, sind die Agenten des Bundesnachrichtendienstes so sehr an das Vertuschen und Verschlüsseln ihrer Botschaften gewöhnt, dass es ihnen auch dann nicht mehr auffällt, wenn sie lediglich ein simples Kochbuch herausgeben wollen. Ein ermutigendes Zeichen für eine „neue Offenheit“ ist das kaum und als Start für eine Imagekampagne eher beschämend.

„Top(f) Secret – Die ,Geheimrezepte’ des Bundesnachrichtendienstes“, Varus Verlag, Bonn 2002, 108 Seiten, 19,80 Euro OTTO DIEDERICHS, 52, lebt als freier Journalist in Berlin. Er ist auf politische und kulturelle Fragen um jedwede Form von Geheimnistuerei spezialisiert