Das Volk ist eine Maske des Krieges

Der barbarische Krieg selber schreibt sich durchaus wollüstig in die Wahrnehmung ein. Schon lange nicht mehr haben wir unseren Bildermaschinen so sehr vertraut wie jetzt. Sie produzieren Evidenz als neue Droge. Zu den aktuellen Kriegsbildern

Die Ideogramme der Inszenierung reichen tief und bleiben flachWas wir sehen, ist zu konkret, nun verlangen wir nach Abstraktion

von GEORG SEESSLEN

Man würde sich, vermute ich, derzeit einen Gefallen tun, wenn man über diesen Krieg und seine Bilder schwiege. Statt rätselhaft scheinen sie diesmal überdeutlich, schon verstanden, bevor sie gesehen, schon kommentiert, bevor sie gedruckt und gesendet sind. Hinter sie zu blicken, gibt es keinen Auftrag. Denn solche Aufklärung hat für diesmal keinen Adressaten. Die Bildervermittler in den Medien teilen schon vorab alle Bedenken, die man mehr oder weniger klug formulieren könnte. Ja, sie werden nicht müde, die Unverlässlichkeit ihrer Bilder, das System der Bilderproduktion durch den Krieg und im Krieg, ihre eigene redliche Ratlosigkeit und den Mangel an überprüfbarer Aussagekraft ihres Materials zu betonen. Mit anderen Worten: Sie tun, als hätten sie etwas gelernt. Und Zensur darf ja diesmal ganz offen als Mittel der Propaganda bezeichnet werden. Sie vermitteln, die Bildervermittler und die Bilderkritiker hätten ohnehin die gleichen Gegner. Das ist nicht nur aus Gründen der politischen Ökonomie falsch.

Die Krieg Führenden (und also Bilder Produzierenden) andrerseits haben hinreichend klar gemacht, dass sie sich nicht von der Kritik beeinflussen lassen. Sie müssen solche Kritik nicht einmal verstehen, um in ihrem Sinn richtig zu handeln. Unbeirrbarkeit ist gerade ein Kriegsziel, und Unbeirrbarkeit sollen auch die Bilder vermitteln. Sie werden mit Unbeirrbarkeit produziert. Die militärischen Apparaturen haben die Bilder nicht nur als Waffe zu benutzen gelernt, sondern auch durch die Bildwelt eine klare Grenze gezogen. Willige Bilder und feindliche Bilder. Man hat gelernt, wie man verhindert, dass man von Bildern und ihrer Kritik lernen könnte. Die Ideogramme der Inszenierung reichen tief und bleiben flach. Die amerikanischen Soldaten in der Wüste des Irak sehen aus wie Krieger aus „Star Wars“.

Das geht über „gut“ und „böse“ hinaus; es ist ein geschlossenes semiotisches System, das nach beiden Seiten perfekt wirkt: Keine Schwäche wird gezeigt. Es gibt keine offene Mitte, die auf die wahren und richtigen Bilder wartete (oder auch nicht). Der zweifelhafte Vorteil in der Chronik eines so deutlich angekündigten Krieges ist es, dass die Bilderadressaten schon vorher klar strukturiert sind. Es gibt keine Mitte der Gesellschaft, in der man irgendwann behaupten könnte, man habe von nichts gewusst oder man sei getäuscht worden. Da steht, sieht man einmal von Sandstürmen ab, die Konturenklarheit der Wüste gegen die Undurchdringlichkeit des Dschungels. Will man in der Wüste gewinnen, was man im Dickicht von Vietnam verloren hat? Die Inszenierung des amerikanischen Soldaten scheint dem zu entsprechen. Er will nicht verschmelzen, sondern sich deutlich hervorheben. Und statt immer nackter zu werden, muss er sich immer mehr panzern. Auch solch ein Ideogramm kann Kriegsziel sein.

Das Bild des Krieges muss nun nur noch beiden Seiten das Richtige sagen. Und auch die Bilder der Schwäche, die Aufnahmen von abgeschossenen amerikanischen Soldaten in Todesangst, werden getrennt. Sie werden nur an den „falschen Orten“ gezeigt. Man vertraut vorschnell der Kraft der Subversion, wenn man glaubt, es ist ein Fortschritt, dass kein Bild zu unterdrücken ist. Es ist das Berlusconi-Syndrom: Man muss die Bilder gar nicht mehr vollständig unterdrücken, man muss nur verhindern, dass sie in die Mitte der Gesellschaft gelangen, man muss verhindern, dass sie als eigenständiges Kommunikationsangebot funktionieren, dass sie ein politisches Subjekt ausbilden. Man muss sie auflösen in eigenen Bilderströmen. Man muss Bilder erzeugen, die den Konsens schon geschaffen haben, bevor sie uns erreichen. Die Bildtechniken der Macht sind sublim und vulgär zugleich. Sie richten die Geilheit auf den Körper und den Glauben auf den Panzer. So ist der Krieg Unterbrechung und Fortsetzung der Bilderflüsse der Unterhaltung. Darum dürfen wir durchaus darüber nachdenken, welche Formen der Unterhaltung wir uns in Zeiten des Krieges noch gestatten und welche nicht.

Und die anderen? „Die Guten“? Die Kriegsgegner (und ebenfalls Bilder Produzierenden) haben ihre Semiotik nicht viel weniger festgefügt. Man wird bei genauerem Hinsehen einen erstaunlichen „Feel good“-Impuls darin finden: Das Fatale daran, dass (anscheinend) Kriegsgegnerschaft in der Mitte der Gesellschaft erzeugt und gepflegt wird, ist eine weitere Konsensproduktion. Die Zeichen des Krieges setzen den Panzer gegen den Körper; in einem derart asymmetrischen Geschehen ist es gar nicht anders möglich: Nicht die militärische Niederlage droht, sondern jede körperliche Berührung ist eine Niederlage. Die Zeichen des Friedens verhalten sich genau umgekehrt: Nur aus Körpern kann ein Panzer entstehen, daher wird in der Berichterstattung die Zahl entscheidend. Die Kultur der Friedensbewegung beschäftigt sich im Wachsen mit ihrer Entpolitisierung. Statt in der Bewegung genauer, intelligenter zu werden, akzeptiert sie ihre eigene Verbildlichung. Sie will das Bild der Guten produzieren. Oder nein: Sie muss, um ihren Status von Akzeptanz in der Mitte der Gesellschaft (geiles Gefühl!) zu erhalten, die Bildermaschine bedienen.

Die Bilderfronten sind klar. Niemand hat wirklich Bedarf an einer Kritik der Kriegsbilder, weil es nirgendwo Zweifler, nirgendwo Fragende gibt. Anders gesagt: Dies ist der antifeuilletonistische Krieg schlechthin. Das ist nur einerseits ein böser Scherz. Es bedeutet andrerseits: Die Strategen aller Seiten haben den Krieg und seine Bilder von vornherein so fundamentalisiert, dass es keine Reflexion geben kann. Nichts produziert so viel Ohnmacht wie Geheimnislosigkeit.

Und muss man sich nicht schließlich gar noch als letztes Glied einer Vermarktungskette, als ein allerletzter Süppchenkocher, Tintenfinger, als Kriegsgewinnler vorkommen? Der bessere Text zum Krieg, sagt Harun Farocki, existiert ja nur wegen der schlechten Texte. Es ist schlimmer: Denkend über die Bilder des Krieges bildet man noch den Krieg. Mitleid mit dem Volk ist schon die Voraussetzung für den nächsten Krieg. Mitleid mit dem Menschen, mit jedem einzelnen, müsste gegen das Volk denken. Den Menschen gegen das Volk zu verteidigen, in dessen Namen nichts, der Krieg so wenig wie der Frieden, geschehen soll, wäre der Beginn einer Zivilgesellschaft. Dafür ist’s schon mal wieder lang zu spät.

Aber man muss trotzdem, mehr denn je, mit seinen bescheidenen Mitteln auf den Krieg und seine Bilder reagieren. Denn ganz offensichtlich, und dennoch so unangenehm, dass man am liebsten den Blick wendete und ein Gespräch über Bäume begänne, laufen unter diesem scheinbar so kontrolliert vagen Diskurs ganz andere Diskurse ab. Die Klarheit, wenigstens, die wir uns vormachen derzeit, ist die größte Lüge.

Wenn man „unsere“ Bilderproduktion genauer ansieht, kann man sie nicht anders denn als Militarisierung der Wahrnehmung unter der Maske der Kriegsgegnerschaft bezeichnen. Ich meine damit nicht nur, dass man sich etwa der militarisierten Wahrnehmung des US-amerikanischen Militärs und der willigen Medien unterwirft. Es geht vielmehr um eine Art der Gegenmilitarisierung und einen gezielten Umbau der eigenen militärischen Ausrichtung unter der Maske der Kriegsgegnerschaft. Während wir gebannt auf die Bilder jenes Krieges sehen, gegen den wir mit glühendem Herzen sind, verwandelt sich unsere eigene Militärmaschine. Sie soll beweglicher werden; sie wird unkontrollierbarer für jene Zivilgesellschaft, die sich gerade an sich selbst berauscht. Wenn dieser Krieg vorbei ist, werden wir, die wir glauben, in einem pazifistischen Staat und in einer gegen den Krieg eingestellten Gesellschaft zu leben, heroische Zivilgesellschaft, militarisierter sein als je zuvor. Die Absichten der Herrschaft dahinter sind weidlich bekannt. Der Widerspruch ist noch nicht gelöst: Wir brauchen eine „Eingreifarmee“ und wollen doch die alte „Schule der Nation“ nicht aufgeben. Die Eingreiftruppe wird gerade auch justiziell geformt, während die Schule der Nation gerade friedensbewegt auf der Straße ist.

Die Kids sind so was von allright, dass gerührte Gymnasialdirektoren ihr rechtes Auge zudrücken. Aber die Semiologie des Friedens, die Lichterketten, die Friedensfahnen, die Demonstrationen und Kettenbriefe, militarisiert sich paradoxerweise selber. Sie sagt, anders gesagt, bald so wenig über die Friedensbewegung in der „Zivilgesellschaft“ aus wie die Inszenierung der Waffen über das Wesen des Krieges. Auch dieses System leert sich, die groteskesten Auswirkungen davon sind eine Friedenslyrik und Friedensbilder, die so unverbindlich sind wie ein „Guten Tag“-Wünschen. Die Mitte, die sich gut wähnt, betreibt die Entleerung, nicht die Erfüllung der Zeichen und Sprachen der Zivilgesellschaften. Die furchtbarsten Auswirkungen sind, dass sich in diese Zeichen und Sprachen letztlich auch die extreme Rechte einschreiben kann. Die Zeichen des Friedens sind dumm geworden. Ich meine nicht nur, dass sie ihr Maß an Peinlichkeit produzieren, also Zeichen und Rituale, die mehr über ihre Träger aussagen als über ihr Anliegen. Zu einem anständigen Menschen gehört es, dass er eine Portion Peinlichkeit ertragen kann, ohne sich gleich als was Besseres vorzukommen. Nein, es geht um wirkliche Dummheit der Zeichen. Um Zeichen also, die gar nicht mehr wissen, was sie bezeichnen.

Wir befinden uns in unserer medialen Glocke in einer Art von virtuellem Krieg mit US-Amerika. Das Ganze ist so lange vollkommen kompatibel mit den Absichten einer klammheimlichen Militarisierung, solange dieses „mit“ seine Doppeldeutigkeit behält. Was wir machen, ist nichts anderes, als uns strategisch mit den Amerikanern zu verbünden und uns moralisch von ihnen zu distanzieren. Und exakt das macht seit dem Beginn dieses Krieges jeder Fernsehabend. Er bedient moralische Entrüstung und strategische Geilheit.

In einigen davon konnte man eine sehr merkwürdige Dramaturgie beobachten. Sie führt von der „objektiven“ Nachricht (in den dafür vorgesehenen Programmteilen) über die kritische Reflexion der eigenen Bilder bis zur Konstruktion von Teilhabe (im „Brennpunkt“ meinetwegen) schließlich zum militärischen Empörungssex (entrüstet zeigt man auf die superpatriotischen Militärkitschbilder in den US-amerikanischen Medien), bevor man zum eigenen Militainment gelangt, der mählichen Wandlung der schrecklichen Bilder, Pflichtübungen in Betroffenheit, bis man, oft mit den allgegenwärtigen Exgenerälen und Wehrexperten, bei einer offenen Form von Warnography angelangt ist. Dann kann sich auch unser Programm vor Zangenbewegung, zweiter Front, Nachschublinien, schweren Waffen und Nachrücken in aufgegebene Stellungen nicht einkriegen.

Warum ist der kritische Impuls diesmal schwieriger als bei den Bildern der letzten Kriege? Und das, obwohl wir doch in einem breiteren Konsens stehen und eine Art von aufklärerischer Antipropaganda sozusagen doch gesellschaftliches Projekt sein sollte? Warum, anders gefragt, ist die deutsche Mehrheit gegen den Krieg und wählt trotzdem Roland Koch, ohne dass es sie zerreißt?

Zum einen ist eine allfällige Ausbeutung der pazifistischen Impulse, eine höchst unzuverlässige Allianz des Friedens, auf ideologisch ungenaue Bilder angewiesen. Und das scheint plötzlich wie ein absurdes Fieber über die deutsche Kultur gleichzeitig gekommen zu sein: ungenaue Bilder produzieren! Die populäre Kultur in Deutschland, noch nie durch besondere Schamhaftigkeit aufgefallen, macht das vor. Die Stallwärme des Mainstreams, Ergriffenheit des Events und Leidenschaft der Dissidenz gleichzeitig genießen.

So entsteht als zweite Asymmetrie die Ungenauigkeit des politischen Bildes im Verhältnis zur Übergenauigkeit des militärischen Blicks. Das Nachtsichtgerät ist dazu die beste Metapher. Der nächste Krieg, lässt Herr Rumsfeld verlauten, wird um Nachtsichtgeräte geführt. Um ein Sinnbild des Blickvorteils im asymmetrischen Krieg. Das Bild des Nachtsichtgeräts schließlich scheint im Fernsehen die perfekte Auflösung des Widerspruchs zwischen dem technologischen und dem körperlichen Aspekt des Krieges, zwischen der abstrakten Videosimulation und dem Eindringen eines Vollmantelgeschosses in Menschenfleisch.

Das liegt zum anderen an der Territorialität dieses Krieges. Der Aspekt, den wir am letzten Golfkrieg so schockierend empfanden, seine Virtualisierung, seine Nähe zu Videospielen, unterfüttert mit offenbar beinahe vollständig gefälschten Bildern des „menschlichen“, „natürlichen“ und „stofflichen“ Aspektes, ist nun bereits in den ersten Kriegstagen gescheitert. „Shock and awe“ war ein Bilderkonzept, das an sein eigenes Gelingen nie wirklich geglaubt hat.

Die Territorialisierung eines Eroberungskrieges nimmt zwar keineswegs die Fälschung der Bilder zurück, wohl aber die Virtualisierung. „Panorama“ zeigt uns, gute Arbeit, wie Kampfbilder in Wahrheit bloße Inszenierungen sind. Das Problem freilich ist: Es macht keinen großen Unterschied mehr. Die militärische Bewegung und die Darstellung der militärischen Bewegung sind mehr oder weniger deckungsgleich im Bild (wie im Kino). Eine Teetasse wird durch eine Teetasse dargestellt; ein Soldat wird durch einen Soldaten dargestellt. Ein Komparse verhält sich nicht anders als ein Mitglied des Volkes.

Die Territorialisierung des Krieges wird von den Kriegsgegnern in gewisser Weise als Bilderfalle für die Invasionstruppen aufgebaut. Einerseits: Da es Bodenkämpfe gibt, kümmern uns die alten Video-Vagheiten nicht mehr. Mittlerweile haben sich ja auch die Videospiele weiterentwickelt. Andererseits gibt es wieder etwas unzweifelhaft Reales, nämlich „Bodengewinn“. Der Krieg ist wieder darstellbar in den Frontverlaufslinen, den Zacken und Pfeilen, die wir aus unseren Geschichtsbüchern kennen. Beinahe produziert uns dieser Krieg schon wieder zu viel an materieller Realität. Hundert Kilometer oder achtzig Kilometer vor Bagdad, da gibt es kein Vertun.

Diese Reterritorialisierung ist das Einfallstor für die Strategien und Strategen alter Schule. Daher wird dieser Krieg nach den Regeln der Sportberichterstattung verstanden. Erst im nächsten Krieg wahrscheinlich wird unseren Bildervermittlern auffallen, dass sie diesmal in eine ganz andere Falle gegangen sind als beim letzten Mal. Nicht mehr in die Virtualitätsfalle, sondern in die Authentizitätsfalle. Bis in die Dramaturgie hinein gleichen manche Kriegssendungen den Übertragungen von Fußballspielen oder anderen Sportevents, die ihre Faszination beinahe ausschließlich von körperlicher Gegenwärtigkeit haben. Den strategischen Überlegungen folgt möglichst rasch eine reale Füllung des Raumes.

Das Problem dieses Krieges ist es offensichtlich, dass er zu leicht verstanden wird. Die allfälligen Exgeneräle und Wehrexperten sind, das müssen wir nicht behaupten, das können wir sehen, Abend für Abend, so sehr in ihrem Element, dass sie gelegentlich kaum ihre Begeisterung zügeln können. Aber so süchtig wir in den virtuellen Kriegen nach Bildern waren, so süchtig sind wir nun im räumlichen Krieg nach dem Expertenwissen von Aufmärschen und Schlachtplänen, Linien und Kreisen. Was wir sehen, ist zu konkret, nun verlangen wir nach Abstraktion und lassen diese ausgerechnet von den Vertretern jenes militärischen Apparates vornehmen. Kein Krieg der letzten Jahre hat so viel militärisches „Wissen“ in der Zivilgesellschaft erzeugt und so viel militarisierte Sprache, ein militärisches Wissen, das sich entvirtualisiert und enttechnologisiert hat und stattdessen wohlig in alten Kriegserinnerungen ruht. Daher produziert er auch auf der anderen Seite so viel Dummheit. Offensichtlich ist dies auch ein Krieg gegen die Moderne.

Auch die möglicherweise zivilen und kritischen Berichterstatter werden schnell angesteckt von dieser Militarisierung der Wahrnehmung eben nicht im Orbitalen, sondern im Wahrnehmungsbereich des einzelnen und der Gruppe. Daher ändert sich auch die Grammatik der Kriegserzählung. Bei einigen sind die amerikanischen Truppen einfach „wir“, aber selbst Besonnene bieten merkwürdige Identifikationsmodelle: „Bei Überläufern musst DU immer aufpassen“, sagt gerade ein eigentlich unverdächtiger Radiokorrespondent, da sie eine fünfte Kolonne aufbauen könnten. Vor dem Fernseher sind „wir“ – und der Fernseher, nebenbei, spricht immer ein „wir“ und kein „ich“ an – zugleich Teil eines kriegsführenden Kollektivs und eines sich moralisch entrüstenden Kollektivs.

Dieser Krieg also ist vor allem räumlich und verlangt stattdessen nach Entzeitlichung. Das ist bei George W. Bush ganz schlichtes Programm. Der Krieg dauert, solange er dauern muss, es gibt keine Aussicht auf einen Vertragsfrieden, nur der symbolische oder doch wohl tatsächliche Tod des Feindes kann ihn beenden, und die Eroberung des gesamten Raumes. „Mile by mile“, sagt Bush.

Die Formulierung eines solchen Kriegszieles ist ein definitives Rückwärtsschreiben der Geschichte. Das Symbolische wird wieder materiell, offensichtlich haben US-amerikanische Soldaten für ihre Berichterstatter nichts so dringlich zu tun, als Statuen und Bilder von Saddam Hussein zu „schleifen“ (der Stern). Die Zivilgesellschaft hat in ihren Bildern das tröstliche Gefühl, da würden zwei Barbaren, zwei barbarische Systeme, Krieg gegeneinander führen. Natürlich ist man gegen beide. Aber der barbarische Krieg selber schreibt sich durchaus wollüstig in die Wahrnehmung ein. Schon lange nicht mehr, so scheint es, haben wir unseren Bildermaschinen so sehr vertraut wie jetzt. Sie produzieren Evidenz als neue Droge.

So generiert dieses System von Bild und Nichtbild ein System sich selbst unverdächtiger militärischer Anschauungen und ganz nebenbei, weil das Wissen so vage ist, ein System des zweiten Wissens, das nicht nur unnütz, sondern vollkommen blödsinnig ist. Wussten Sie, dass die amerikanischen Marines als einzige Waffengattung zwei Erkennungsmarken tragen, eine um den Hals und die andere am Schnürsenkel? Und was wird aus einer Zivilgesellschaft, die sich mit solchen Informationen füttert?

Die Bilder des Krieges wirken jedes Mal anders. Hoffentlich sind diese Waffen nicht wieder einmal intelligenter als die Zivilgesellschaft. Oder was sich dafür halten mag.