Damals hinterm Meer

Das wohltemperierte Kalkül: Die portugiesische Erfolgsband Madredeus zeigte sich in der Berliner Philharmonie von ihrer unprätentiösesten Seite

Die Besetzung mag sich geändert haben, die Handschrift ist gleich geblieben

von DANIEL BAX

Drei Stühle, drei Lichtkegel. Schlicht ist das Setting, in dem sich die Musiker von Madredeus präsentieren. Die drei Stühle sind für die Gitarristen reserviert: Drei graumelierte Herren in eleganten Anzügen nehmen dort Platz. Links davon, in gebührendem Abstand, ist der Synthesizer postiert, der ihr akustisches Spiel mit bedeutungsvollem Wabern unterlegen wird. Als Teresa Salgado die Bühne betritt, brandet der Applaus auf. Sie ist es schließlich, die Madredeus mit ihrer Stimme erst die charakteristisch entrückte Note verleiht.

Lediglich eine kleine Batterie Scheinwerfer sorgte dafür, dass sich Teresa Salgado vor tiefem Azurblau oder Sonnenblumengelb nur umso konturierter als femme fragile in Szene setzen konnte. Ihr Kleid ließ sie ein wenig wie ein mittelalterliches Burgfräulein, eine Ordensschwester oder gar eine Heiligenfigur aussehen. Es unterstrich den sakral ernsten Eindruck, den Madredeus gerne machen.

Doch bei aller kunstreligiösen Aura, mit der sich Madredeus gerne umgeben: Bei ihrem Konzert in der Berliner Philharmonie zeigte sich die portugiesische Erfolgsband von ihrer eher unprätentiösen Seite. Das war nicht unbedingt zu erwarten gewesen, hatten sich Madredeus für ihre jüngste Live-Veröffentlichung doch von einem ganzen Klassikorchester umgeben lassen. Im Vergleich dazu hatte ihr Berliner Auftritt den Charakter einer Unplugged-Session. Beim Bossa-inspirierten Titel „Oxalá“ schnippte der ganze Saal mit: So viel Lässigkeit war noch nie.

Seit Wim Wenders die portugiesische Band in seinem Roadmovie „Lisbon Story“ verewigt hat, sind Madredeus ein globales Markenprodukt, über drei Millionen Alben haben sie weltweit verkauft. Mag sich die Besetzung seit der Gründung vor 15 Jahren auch mehrmals geändert haben – geblieben ist die musikalische Handschrift, die von Pedro Ayres Magalhães geprägt wird, dem Komponisten und eigentlichen Erfinder des Madredeus-Klangs.

Dieser Klang knüpft an bekannte portugiesische Traditionen an, an die Poesie und die Stilisierungen des Fados, aber er ist auch unverkennbar zeitgemäß. Obwohl handgemacht und auf akustischer Basis, hat dieser Sound mit Portishead, Goldfrapp oder der Filmmusik eines Michael Nyman mindestens so viel gemein wie mit Amália Rodrigues, der Ikone des portugiesischen Fado-Gesangs. Er folgt einem wohltemperierten Kalkül, wie man es auch von elektronischer Lounge-Musik her kennt.

Beim Konzert in der Philharmonie wurde das deutlich, hatte doch das Gitarrenspiel des Altherren-Trios, das den ätherischen Gesang von Teresa Salgado unterlegte, eine zuweilen so hypnotische Wirkung wie ein Endlos-Loop und erinnerte an das Repetetive des Dub-Reggaes oder zerdehnter Downbeat-Rhythmen. Es ist eine hypnotisch-einschläfernde Monotonie, von der man sich gerne einlullen lässt.