Unruhe bei allen Tierschutz-Vereinen

Verurteilungen von Spendenbetrügern färben ab. Mehr Rechtssicherheit bei Spendenverträgen gefordert

MÜNCHEN taz ■ Der Millionenschwindel beim Deutschen und Europäischen Tierhilfswerk hat bei den auf Spenden angewiesenen Organisationen für Unruhe gesorgt. Sie ist auch nach der Verurteilung der Exchefs beider Vereine zu Gefängnisstrafen von vier bis zwölf Jahren Anfang der Woche durch ein Münchner Gericht nicht verflogen. 30 Millionen Euro hatten sie jahrelang unbehelligt in ihre eigene Tasche gesteckt (taz von gestern).

Vor allem der Deutsche Tierschutzbund, die Dachorganisation von 720 Vereinen, geriet in Misskredit, weil er mit dem Tierhilfswerk verwechselt wurde. „Der Skandal um das Tierhilfswerk hat die Spender verunsichert und damit vor allem dem Tierschutz geschadet“, klagt Tierschutzbundpräsident Wolfgang Apel. Deshalb fordert er strengere Gesetze. Eine restriktivere Regelung des Vereins-, Sammlungs- und Gemeinnützigkeitsrechts sei überfällig. Apel: „Es muss einzig darum gehen, hilfsbereite Bürgerinnen und Bürger nachhaltig vor Täuschung zu schützen.“ So sollten Spendenorganisationen verpflichtet werden, über die Ausgabe ihrer Gelder zu informieren. Auch regt der Tierschutzbund ein Round-Table-Gespräch im Verbraucherschutzministerium an.

Besonders kritisiert der Tierschutzbund das so genannte Fernabsatzgesetz des Europaparlament. Es erlaubt seit Sommer 2000 Unternehmen, wozu auch Tierschutzorganisationen zählten, über das Telefon, Fax und Internet Mitgliedsverträge abzuschließen – also ohne Unterschrift. Diese können dann bis zu zwei Jahre nicht widerrufen werden. Gerade in den vergangenen Monaten nutzten laut Tierschutzbund viele dubiose Organisationen die neue Regelung, um Bürger zu einer Mitgliedschaft zu überrumpeln. Täglich gingen Beschwerden ein, dass unter falschen Namen Mitgliedschaften geworben werden. Vor solchen Anrufen wird deshalb gewarnt.

Der Deutsche Spendenrat, zu dem sich freiwillig rund 50 Organisationen zusammengeschlossen haben, gibt sich indessen keinen Illusionen hin. „Betrug wird es weiter geben“, sagt Geschäftsführer Bernd Beder. Er appelliert an den „mündigen Spender“, sich genau über die Organisation zu informieren. „Wer spontan spendet, ist selber schuld.“ Der Deutsche Tierschutzbund habe sich den strengen Regeln des Spendenrats unterworfen, Umweltschutzorganisationen wie der BUND und der Nabu dagegen nicht.

Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen, das humanitäre Spendenorganisationen prüft, verlangt vom Gesetzgeber bisher vergeblich ein Rücktrittsrecht bei Mitgliedsanträgen. „Das wäre das Minimum“, sagt Geschäftsfüher Burkhard Wilke. In Einkaufszentren und an Haustüren würden Bürger oft von Drückerkolonnen mit grausamen Fotos von Tieren emotional unter Druck gesetzt.

Die Opfer der kriminellen Machenschaften des Deutschen und Europäischen Tierhilfswerks werden auch nach dem Urteil vom Dienstag ihr von den Exchefs verpulvertes Geld nicht zurückbekommen. Nur beide Vereine haben eine Chance auf Schadenersatz. Das Deutsche Tierhilfswerk und der Nachfolger des Europäischen Tierhilfswerks, der Europäische Tier- und Artenschutz (ETN), haben entsprechende Klagen angekündigt. Beide beschuldigen sich gegenseitig, noch heute Geld zu veruntreuen. So verlangt der ETN-Präsident Heinz Wiescher von der Regierung von Oberbayern, dem Deutschen Tierhilfswerk die Rechtsfähigkeit abzuerkennen. „Immer noch fließen Jahr für Jahr Millionenbeträge nicht dem Tierschutz zu“, behauptet er.

OLIVER HINZ