Engagiert trinken!

Die Boykotteure von US-Produkten wollen die Abwahl von George W. Bush erzwingen

Die arabischen Verbraucher wenden sich ihren eigenen Produkten zu

von FRANÇOIS MISSER

Tawfik Mathlouti hat die Zeichen der Zeit erkannt. Der tunesischstämmige Franzose ist der Erfinder von „Mecca Cola“, neuester Hit der Erfrischungsgetränkeindustrie. „Don’t drink stupid – drink committed“ ist der Slogan, mit dem Mathlouti auch in Belgien, Großbritannien, Spanien und Italien wirbt.

„Engagiert trinken“ – 16 Millionen Flaschen hat der Franzose bisher verkauft, und vom Irakkrieg erhofft er sich den Durchbruch bei Muslimen in aller Welt, die Coca-Cola und Pepsi nicht mehr anrühren wollen. Wenn das funktioniert, will er auch Kentucky Fried Chicken entthronen, mit „Halal Fried Chicken“.

Andere arabische Unternehmer haben das schon vorgemacht, mit Pommes der Marke „Jassir Arafat Chips“ in Ägypten oder „Star Cola“ und „Hero Chips“ in den palästinensischen Autonomiegebieten. Aus Iran kommt „Zam Zam Cola“, ein Renner in den Golfstaaten und in Saudi-Arabien. Es gibt auch das ganz neue Erfrischungsgetränk „Muslim Up“, als Rivale für „Seven Up“, nach Eigenwerbung „Frucht der neuen Bewusstseinswerdung im Angesicht der vielen Ungerechtigkeiten auf der Welt“.

Einen „gewissen Erfolg“ gestehen die Sprecher von Coca-Cola dem Konkurrenzprodukt Mecca Cola und den anderen neuen arabischen Produkten zu, und in den Marketing-Abteilungen der US-Ernährungskonzerne beginnt man sich Sorgen um die Märkte in muslimischen Staaten zu machen. Ende März mussten bereits sechs McDonald’s-Filialen in Jordanien schließen; in Oman sind die Verkäufe der Burgerkette und von Kentucky Fried Chicken um zwei Drittel im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen.

Dieser arabische Boykott von US-Produkten ist eigentlich nichts Neues. Er begann bereits mit dem Afghanistankrieg. Globalisierungskritiker sahen plötzlich die Möglichkeit, eine Milliarde arabische und muslimische Verbraucher in ihre Aktionen gegen die USA miteinzubeziehen. Die Wirkung blieb freilich begrenzt – bis zum Frühjahr 2002, Zeitpunkt der Wiederbesetzung palästinensischer Städte durch die israelische Armee. „Der Boykott amerikanischer und israelischer Produkte ist eine religiöse Pflicht“, verkündeten damals Prediger in den Moscheen Ägyptens. „Sie zu konsumieren ist Verrat. Das ist das Mindeste, was man tun kann, um gegen die israelischen Massaker zu protestieren.“

Die NGOs, aber auch die Gewerkschaftsbewegung wurde zum Träger des Verbraucherboykotts, unterstützt von arabischen Medien. Das wirkte. Schon im April 2002 prognostizierten US-Diplomaten einen Rückgang der Exporte nach Saudi-Arabien von zehn bis 15 Prozent. Nach Angaben einer US-Firmenvertretung in Kuwait, unter anderem für Pizza Hut zuständig, sanken die Profite in der Restaurationsbranche im Monat nach Beginn der israelischen Besetzungen um 45 Prozent in Jordanien, 40 Prozent in Ägypten und 20 Prozent in den Golfstaaten.

Die Boykottbewegungen dehnten sich auch auf den Maghreb aus. Die französische Consultingfirma NSE witterte bereits eine Marktlücke, in die europäische Unternehmer springen sollten. Aber die arabischen Verbraucher wandten sich lieber ihren eigenen Alternativprodukten zu.

Die wirtschaftlichen Folgen für die USA blieben dennoch zunächst gering. Denn nur drei Prozent des amerikanischen Gesamtexports gehen in den Nahen Osten. Erst mit dem Irakkrieg hat eine effektive Verbindung zwischen dem Boykott in der arabischen Welt und den globalisierungskritischen Boykottbemühungen eingesetzt. Dabei geht es nicht nur um punktuelle Aktionen gegen McDonald’s-Filialen. Seit dem 26. März läuft in Brüssel eine Boykottkampagne gegen Esso- und Texaco-Tankstellen, Coca-Cola, McDonald’s, Kodak und Marlboro. „Ich denke nicht, dass das besondere ökonomische Auswirkungen haben wird, aber ich hoffe auf politische Wirkung“, sagt Nelly Maes, Europaabgeordnete der Grünen. In Italien, Griechenland und Québec gibt es ähnliche Aktionen. Auf Webseiten wie www.consumers-against-war.de stehen Firmen, bei denen der gute Pazifist nicht mehr kaufen soll.

Einen Schritt weiter gingen die Hafenarbeiter von Santos in Brasilien, die einen Tag lang US-amerikanische und britische Schiffe bestreikten, oder die belgische Belegschaft des US-Fahrzeugherstellers Caterpillar, die am 24. März kurzzeitig wegen dem Krieg die Arbeit niederlegte. Selbst in den USA ist die Kampagne „Boycott Brand America“ entstanden, die zu Verbraucherboykotts aufruft, „bis das Empire lernt zuzuhören“.

Was das alles bringen wird, ist noch nicht entschieden. Wenn US-Markenartikel immer schwerer zu verkaufen sind, werden die großen Handelsfirmen der Welt sich von ihnen abwenden, und dies könnte langfristig die Gewichte auf den Weltmärkten verändern. Die Hoffnung der Boykotteure ist, dass es in den USA zu einer Rezession kommt, die US-Bürger mit dem Irakkrieg in Verbindung bringen. Dies soll zu einem Wechsel im Weißen Haus führen. Aber wie hoch müssen sich weltweit unverkäufliche US-Produkte stapeln, damit Bush die nächsten Wahlen verliert?